Der im Grunde begrüßenswerte Bike-Boom zeigt in den Zügen die Grenzen der Infrastruktur deutlich auf. Im Fernverkehr sind die Radplätze limitiert und schnell ausgebucht. Im Nahverkehr sind die Kapazitäten spätestens seit Einführung des 49-Euro-Tickets oft ausgereizt. Zudem gibt es keine bundesweit gültigen Regelungen – Verkehrsverbünde oder Privatbahnanbieter und ihre unterschiedlichen Vorgaben für die Radmitnahme bzw. Ticketpreise müssen mühsam recherchiert werden. In Einzelfällen ist die Radmitnahme zeitweise generell untersagt. Die stetig wachsende Vielfalt von Radtypen und Nutzungsrealitäten lässt sich im Modalmix mit der Bahn oft nicht abbilden. Wer eine längere Reise oder einen Tagesausflug mit Rad und Bahn plant, sollte schlau und besonnen vorgehen.
1) Welches Rad darf mit?
Laut Deutscher Bahn werden nur einsitzige und zweirädrige Fahrräder bzw. Pedelecs transportiert. Sie müssen in die Fahrradständer (die in manchen Zügen verbaut sind) mit einer maximalen Reifenbreite bis 60 Millimeter passen. Tandem, Liegerad oder Dreirad können nur in Zügen mit größerer Stellplatzkapazität mitgenommen werden. Das schließt den Fernverkehr quasi aus – und muss im Einzelfall am Schalter erfragt werden. Kinderräder bis zu einem Raddurchmesser von 16 Zoll sowie Falträder gelten als Gepäckstücke und dürfen kostenlos im Gepäckregal mitreisen. Ebenfalls kostenlos ist die Mitnahme eines Fahrradanhängers. Dieser muss allerdings zusammengeklappt sein und darf Gänge und Türen nicht blockieren. Pro Fahrrad ist ein Anhänger erlaubt, egal ob für Kind, Hund oder Lasten. Bei Liegerädern gibt es Modelle, die sich auf ein geringes Packmaß falten lassen und so auch im Zug mitgenommen werden können. Lastenräder sind hingegen von der Mitnahme ausgeschlossen, wobei die Grenzen zwischen Lastenrad und „normalem“ Fahrrad immer weiter zerfließen. Außerdem kann es Ausnahmen in Privat- und S‑Bahnen geben. Deshalb lohnt sich vorab eine Anfrage, ob die Mitnahme des entsprechenden Rades möglich ist. S‑Pedelecs sind generell von der Mitnahme im Zug ausgeschlossen, da sie als Kleinkrafträder gelten.
2) Informationen einsammeln
Da das Angebot an Fahrradstellplätzen limitiert ist, geben die Anbieter keine Mitnahmegarantie für Radfahrende. Es kommt auf stark frequentierten Strecken bzw. zu Stoßzeiten regelmäßig zu überfüllten Zügen und abgewiesenen Radfahrenden. Es gibt deshalb offizielle Übersichtsseiten, welche Züge an welchen Wochentagen und Uhrzeiten als überlastet gelten. Diese sollte man, wenn möglich, meiden. Um eine Mitnahme wahrscheinlicher zu machen, sollte man sich vor der Fahrt umfassend informieren. In Zügen des Fernverkehrs besteht eine Reservierungspflicht, d. h. Radtickets für die stark begrenzte Anzahl an Stellplätzen, in ICE-Zügen sind es maximal acht Plätze, müssen vorab gebucht werden. Eine frühzeitige Reiseplanung ist deshalb ratsam, da die Plätze begehrt und bereits sechs Monate vorab buchbar sind. Kommt es zu kurzfristigen Änderungen wie Zugausfällen oder Ersatzzügen, erlöschen die Reservierungen ersatzlos; sind allerdings rückerstattungsfähig. Außerdem ist ein kurzfristiges Abklären der Bahnverbindung immer sinnvoll, wenn beispielsweise durch Bauarbeiten ein Schienenersatzverkehr eingesetzt wird. Dort wird generell keine Fahrradmitnahme ermöglicht.
3) Tarife abklären
In der Regel braucht man für ein Fahrrad oder Pedelec ein eigenes Ticket. Ein Fahrradticket für den nationalen Fernverkehr kostet ab 7,50 Euro, ein deutschlandweit gültiges Ticket für den Nahverkehr 6,50 Euro. In den einzelnen Bundesländern, Verkehrsverbünden oder ‑zusammenschlüssen gibt es sehr unterschiedliche Fahrradtarife. Regional gültige Fahrradtagestickets sind ab 4 Euro erhältlich. In manchen Gebieten ist eine Mitnahme kostenlos, auf wenigen kurzen Abschnitten des Fernverkehrs ist die Mitnahme mit einem Nahverkehrsticket möglich. Kinder unter 14 Jahren können ihre Räder in vielen Verkehrsverbünden kostenlos mitnehmen. All diese Informationen sind nicht im regulären Ticketbuchungssystem der DB ersichtlich, sondern müssen in individueller Beratung erfragt werden. Im Zweifel oder bei spontaner Bahnnutzung geben Zugbegleiter:innen oder andere Reisende mit Rad vor Ort die nötigen Infos.
4) Gruppen anmelden
Für Gruppen ab sechs Personen ist eine Online-Buchung von Fahrradplätzen im Fernverkehr nicht möglich. Diese kann lediglich über die DB-Verkaufsstellen oder eine Service-Rufnummer erfolgen. Im Nahverkehr sind Gruppen ab sechs Personen telefonisch vorab anzumelden. Die Anmeldung ist zwar keine Garantie für eine Mitnahme, erhöht allerdings die Wahrscheinlichkeit, da theoretisch, wenn die Möglichkeit besteht, mehr Wagen mit Fahrradabteilen zur Verfügung gestellt werden könnten.
5) Respektvoller Umgang miteinander
Am Bahnsteig ist ein respektvoller Umgang miteinander wichtig. Dazu zählt, auf andere Reisende Rücksicht zu nehmen. Fahrradabteile sind meist Multifunktionsabteile mit klaren Nutzungsprioritäten: Rollstuhlfahrende haben Vortritt, dann Kinderwagen, dann Radfahrende mit Kindern. Nach wie vor nötig ist auch der Hinweis, dass man zuerst alle Menschen aussteigen lassen soll, bevor man einsteigt – mit und ohne Fahrrad.
6) Am Bahnsteig verteilen
Um einen reibungslosen und schnellen Ein- und Ausstieg zu ermöglichen, sollten sich Zugreisende mit Rad am Bahnsteig am besten auf mehrere Fahrradabteile verteilen, sofern vorhanden. Das gilt auch und besonders für Gruppen von Radfahrenden. Idealerweise sollte man schon auf dem Gleis, spätestens aber im Zug mit anderen Radreisenden kommunizieren, wer wo aussteigen muss, um die Räder in der richtigen Reihenfolge abzustellen. Das erspart Hektik und unnötiges Rangieren im meist engen Zugabteil. Außerdem muss man das Fahrrad bzw. Pedelec ohne Hilfe anderer in den Zug ein- bzw. ausladen können.
7) Fahrräder richtig abstellen und Gepäck abnehmen
Im Zug müssen Fahrräder so abgestellt werden, dass Flucht- und Rettungswege frei bleiben. Dann ist der freie Durchgang für andere Reisende samt Gepäck gewährleistet. In Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn wird durch gelbe Markierungen am Boden angezeigt, wo die Räder stehen dürfen. In manchen Radabteilen steht eine Maximalanzahl mitzunehmender Räder an der Wand. Werden die Streifen oder Zahlen überschritten, ist das Fahrradabteil überfüllt – und Schaffner:innen können die Weiterfahrt des Zuges verweigern. Deshalb ist es schlau, Fahrräder möglichst eng, versetzt oder mit entgegengesetzten Lenkern abzustellen. Das spart manchmal erstaunlich viel Platz. Die Bahn schreibt in den Beförderungsbedingungen übrigens auch vor, dass man Gepäcktaschen vor Besteigen des Zugs von den Rädern abnehmen muss, um leichter ein- und aussteigen zu können und keinen wertvollen Platz zu okkupieren.
8) Fahrrad sichern
Im Zug abgestellte Fahrräder müssen gegen Umfallen oder Wegrollen gesichert werden. Das verhindert Schäden an Rad und Zug, aber auch mögliche Verletzungen von Mitreisenden. Im Fernverkehr werden die Fahrräder aufrecht oder diagonal in Fahrradhaken eingehängt. Hier können auch eigene Schlösser angebracht werden, um die Räder gegen Diebstahl zu sichern. Im Nahverkehr ist ein Schloss hingegen nicht sinnvoll. Hier müssen Räder ab und zu rangiert oder es muss Platz für Rollstuhlfahrende gemacht werden. Es bietet sich deshalb an, möglichst einen Sitz- oder Stehplatz in der Nähe des Rades zu suchen. Zudem ist es praktisch, einen Spanngurt oder Ähnliches dabei zu haben, um das Rad fixieren zu können. Nur in manchen Bahnen gibt es dafür vorgesehene Gurte.
9) Keine Akkus laden
Beim Transport von Pedelecs in der Bahn sind ein paar Besonderheiten zu beachten. Dazu zählt, dass der Akku während der Fahrt am Rad bleiben muss. Auch das Aufladen des Akkus ist nicht erlaubt. Die Spannung der Zugsteckdosen reicht hierfür normalerweise ohnehin nicht aus. Obacht: Die Mitnahme eines Ersatz-Akkus im Zug ist untersagt, da es sich hierbei um ein Gefahrgut handelt.
10) Fahrrad einpacken
Manche Radsportler:innen zerlegen ihre Räder am Bahnsteig und verpacken sie in dafür vorgesehene Taschen. So erhöhen sie ihre Chancen auf Mitnahme deutlich und sind flexibler in der Zugwahl bzw. bei spontanen Fahrplanänderungen. Dafür bauen sie die Laufräder aus, stellen den Lenker quer und schrauben ggf. die Pedale ab. Derart komprimiert, zählt das Rad als Gepäckstück und kann ohne Ticket mitgenommen werden. Hierbei macht sich das obligatorische Minitool in der Hosentasche bezahlt. Fahrräder mit Schutzblechen und Gepäckträger eignen sich dafür allerdings nicht. In jedem Falle sollte man das Paket dann auch sicher verstauen – im Gepäckregal oder zwischen den Sitzen. Auch hilft es, offen und höflich auf das Zugpersonal zuzugehen und sich für das Gepäckstück verantwortlich zu zeigen. Denn am Ende freuen sich doch alle über vorausschauende, ruhige und freundliche Mitmenschen – besonders, wenn der Job ohnehin anstrengend ist.
Thomas Geisler, H. David Koßmann | pressedienst-fahrrad