
Radfahren im Alltag ist eine, wenn nicht sogar die beste Möglichkeit, um einfach und schnell den Bewegungsmangel der Kinder zu beseitigen. „Das alltägliche Radfahren hat bereits einen positiven Effekt auf die Gesundheit“, sagte der Mediziner und Politiker Johannes Wagner bei einer Online-Veranstaltung von Bündnis90/Die Grünen. Zusätzlich könnten sich radfahrende Kinder besser orientieren, bauten leichter soziale Bindungen auf und könnten unvorhersehbare Situationen selbstständig lösen. „Alles zentrale Bausteine der kindlichen Entwicklung“, bekräftigte Wagner.
Trotz dieses Wissens sieht die Realität anders aus. Das unorganisierte, freie Spielen von Kindern an der frischen Luft hat in den letzten Jahren um 25 Prozent nachgelassen. Kinder in Deutschland erfüllen die Bewegungsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation von 60 Minuten am Tag bei weitem nicht. Nur 22,4 Prozent der Mädchen und 29,4 Prozent der Jungen im Alter von drei bis 17 Jahren treiben mindestens eine Stunde am Tag Sport, heißt es in der KiGGS-Studie. Expert:innen nennen als Grund die sogenannte Verinselung: Kinder bewegen sich nicht mehr frei, sondern werden im Alltag von einer Insel, z. B. Schule, Sportunterricht, Freund:innen, zur anderen gefahren – meist im Auto und unter Aufsicht der Eltern. Die Folge: Die alltägliche, selbstständige Bewegung fällt weg.
„Kindern wird gar nicht zugetraut, sich eigenständig von einer Insel zur anderen zu bewegen. Das ist schade, denn dadurch verlieren sie Verkehrskompetenz und wichtige Grundlagen, die sie später brauchen“, sagt Thiel. Der auf Verkehrsrecht spezialisierte Anwalt Olaf Dilling sieht noch ein weiteres Problem: Bereits in der Verkehrserziehung wird Kindern gelehrt, dass das Auto Vorrang im Straßenverkehr genießt und sie „das Auto nicht stören“ sollen. Das sei aber falsch. Man brauche einen kindgerechten Verkehr und nicht verkehrsgerechte Kinder.