Wechsel im Führerstand der MVG: Rückblick und Ausblick

Wechsel im Führerstand der MVG: Rückblick und AusblickZahlen und Fakten zum Pressegespräch mit Herbert König, SWM Geschäftsführer Verkehr und Vorsitzender der MVG-Geschäftsführung und seinem Nachfolger Ingo Wortmann am 12. Oktober 2016

Am 31. Oktober 2016 endet nach rund 24 Jahren die Tätigkeit von Herbert König als Chef des kommunalen Münchner Verkehrsunternehmens. Ingo Wortmann (rechts im Bild) übernimmt zum 1. November 2016 die Geschäfte als SWM Geschäftsführer Verkehr und Vorsitzender der MVG-Geschäftsführung. Zeit für eine Bilanz – und einen Ausblick.

Vorweg: Kommunale Verkehrsunternehmen haben einen Versorgungsauftrag. Diesen formuliert zum einen der Gesetzgeber, zum anderen die Stadt in ihrer Doppelrolle als Eigentümerin des Verkehrsunternehmens und Aufgabenträgerin für den ÖPNV. Dieser Auftrag lautet kurz gefasst: Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung nach den Kriterien des städtischen Nahverkehrsplans, bestmögliche Ausschöpfung der Fahrgastpotenziale zur Sicherung einer stadtverträglichen Mobilität bzw. Lebens- und Umweltqualität sowie Sicherstellung der Finanzierung und der Finanzierbarkeit des Nahverkehrsangebots.

Wie wurde dieser Auftrag seit 1992 erfüllt?

Leistungsangebot: Der Umfang des MVG-Leistungsangebots wurde von 1992 bis 2015 um insgesamt 48,3 % gesteigert. Dabei wuchs die U-Bahn um 65 %, der Bus um 27 % und die Tram um 10 % (nach Start der Revitalisierung um 27 %).

Angebotsdichte: Das ÖPNV-Angebot je Einwohner wurde um 29 % gesteigert. Das bedeutet: Jeder Münchner findet heute ein um 29 % dichteres MVG-Angebot vor als 1992. Damit liegen München und die MVG mit weitem Abstand an der Spitze der deutschen Großstädte!

Streckennetz: Insgesamt hat das MVG-Streckennetz heute eine Länge von 656 km, ein Plus von 18 % gegenüber 1992 (554 km). Die U-Bahn legte von 58 km auf 95 km zu (+ 64 %). Seit 1996 gab es bei der Tram einen Zuwachs um 14 km auf 79 km (+ 21 %). Das Busnetz ist um 65 km gewachsen, von 417 km auf 482 km – eine Steigerung von fast 16 %.

Fahrgastentwicklung: Die Zahl der Fahrgäste stieg von 1992 bis 2015 um fast 35 % von 420 Millionen auf inzwischen 566 Millionen im Jahr 2015 – Tendenz weiter steigend. Im laufenden Jahr verzeichnet die MVG ein weiteres Plus von ca. 2 bis 2,5 %. Die U-Bahn steigerte sich von 254 auf 398 Millionen (+ 57 %), der Bus von 184 auf 193 Millionen (+ 5 %; seit 1993 + 16 %), die Tram von 87 auf 119 Millionen (+ 37 %). Der hohe Marktanteil des ÖPNV am Stadtverkehr hat sich deutlich erhöht und stellt einen Spitzenwert unter den deutschen Großstädten dar: Zusammen mit der S-Bahn betrug der ÖPNV-Anteil in München 2015 rund 30 %.

Kundenzufriedenheit: Die Zufriedenheit der Kunden mit dem Angebot der MVG war kontinuierlich hoch und über dem Bundesdurchschnitt. Seit 2007, dem ersten Jahr der bundesweiten Messung, bewegten sich die Noten der MVG auf einer 5er-Notenskala (1 = vollkommen zufrieden; 5 = unzufrieden) konstant im Bereich zwischen 2,55 und 2,61; der bundesweite Wert lag hingegen zwischen 2,78 und 2,92. Zudem bietet die MVG seit jeher die von den Münchnerinnen und Münchnern am besten bewertete Dienstleistung der Landeshauptstadt.

Sicherheit: Die Statistik der Polizei zeigt: U-Bahn, Bus und Tram sind genauso sicher wie die Stadt selbst. Das Risiko, in der U-Bahn Opfer einer Gewalttat zu werden, beträgt ungefähr 1 zu 3 Millionen. Bei regelmäßig durchgeführten, repräsentativen Befragungen erklären rund 95 % der Fahrgäste, denen das Thema wichtig ist, mit der Sicherheit im MVG-Bereich zufrieden oder sogar sehr zufrieden zu sein. Dafür wurde viel getan, z. B. mit der Aufstockung der U-Bahnwache, dem Ausbau der Videoüberwachung und der Ausstattung aller U-Bahnhöfe mit mehr als 450 neuen MVG-Notfallsäulen.

Fahrgastinformation: Weil vieles nach und nach erfolgte und schnell selbstverständlich wurde, ist der Quantensprung bei der Fahrgastinformation nicht gleich sichtbar. Folgende Meilensteine sollen ihn beispielhaft verdeutlichen: Infobus bzw. Infocontainer bei Neubauprojekten (seit 1994), Echtzeit-Anzeigen an Bahnhöfen und Haltestellen (ca. 1.350 seit 1996), MVG-Garantie bei Verspätungen (seit 2000), Schulprojekte & Mobilitätstrainings (z. B. für Senioren und Sehbehinderte; seit 2000), Infomobil (seit 2001), Minifahrpläne (seit 2003), Kundenmagazin (seit 2004), MVG Hotline (seit 2004), neue Baustellenkommunikation (seit 2005), Notfallsäule (seit 2009), MVG zoom (seit 2009), App „MVG Fahrinfo München“ (seit 2010), Fahrgast-TV und Start Echtzeit-Anzeigen in den Zügen (seit 2013)

Vertrieb: Seit 1992 wurde der Vertriebskostenanteil am Fahrpreis um mehr als ein Drittel gesenkt, trotz Ausweitung der Kaufmöglichkeiten. Davon profitieren die Fahrgäste, weil mehr Geld für die Finanzierung des Leistungsangebots bleibt. Ein Meilenstein war der Start des elektronischen Vertriebs, vor allem mit dem Handy-Ticket. Hier ist die MVG heute mit einem Marktanteil von mehr als 70 % der Marktführer im MVV-Raum. Echte Aushängeschilder sind die beiden neuen Kundencenter am Marienplatz und am Hauptbahnhof, die vor allem von Touristen und Kunden mit persönlichem Beratungsbedarf mehr denn je geschätzt werden.

MVG als Mobilitätsdienstleister: Gut gestartet ist auch der Ausbau der MVG zum umfassenden Münchner Mobilitätsdienstleister, u.a. mit dem neuen Mietradsystem MVG Rad (Bilanz nach 1 Jahr: 50.000 Kunden, 320.000 Fahrten), der App „MVG more“, die auch mehrere Carsharing-Anbieter einbezieht, der ersten Mobilitätsstation an der Münchner Freiheit und bald auch mit Handy-Parken (in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt). An zukunftsweisenden Münchner Mobilitätsprojekten wie z. B. „Smarter Together“ und „City2Share“ ist die MVG als Partner beteiligt.

Wirtschaftlichkeit und Finanzierung: Die Finanzierung des ÖPNV ist nach wie vor nicht gesichert. Nachdem staatliche Leistungen seit Jahren rückläufig sind, muss ein immer größerer Anteil der ÖPNV-Kosten durch Fahrgeldeinnahmen finanziert werden. Wie hoch aber diese Kosten sind, hat viel mit der Wirtschaftlichkeit des Verkehrsunternehmens zu tun. Auch hier fällt die Bilanz positiv aus: Die MVG konnte durch ein massives Restrukturierungsprogramm über 15 Jahre die Kosten auf Wettbewerbsniveau senken und gleichzeitig die Effizienz des Netzes signifikant erhöhen. Dank geringerer Kosten und höherer Einnahmen sind die Kosten je Platzkilometer seit 1992 preisbereinigt um 30 % gesunken. Seit 2002 schafft die MVG – trotz eines jährlichen Leistungszuwachses – eine eigenwirtschaftliche, also kostendeckende Finanzierung der gesamten Betriebskosten. Das verbleibende Defizit des städtischen ÖPNV insgesamt – also inklusive der Infrastrukturvorhaltung durch die SWM – ist von 1992 bis 2015 um 73 % gesunken, preisbereinigt sogar um 84 %. Die hier erkennbare Produktivitätssteigerung ist eine enorme Leistung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von SWM und MVG. Natürlich haben dazu auch die Einnahmenentwicklung durch die erzielten Fahrgaststeigerungen sowie Preisanpassungen beigetragen. Gleichwohl gilt: Das Preisniveau des MVV-Tarifs liegt insgesamt nach wie vor im unteren Bereich der Großstädte bzw. großen Verbundräume. Die MVG liegt bei den durchschnittlichen Einnahmen je Fahrgast bzw. je Personenkilometer mit 0,85 bzw. 0,18 Cent deutlich unter anderen deutschen Großstädten. München hat damit mehr denn je das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im kommunalen ÖPNV!

Mitarbeiter: Für die MVG und ihre Fahrgäste arbeiten heute rund 3.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, übrigens aus 53 Nationen – viele davon rund um die Uhr (Hunderte von Fahrern bei den Partnern der MVG kommen dazu). Die MVG ist damit ein wichtiger Arbeitgeber Münchens, und zwar mit Zukunft. Der Personalbedarf wird in den nächsten Jahren weiter wachsen.

MVG Museum: Auch die 140-jährige Geschichte des städtischen Nahverkehrs hat eine Heimat gefunden: das von Herbert König realisierte MVG Museum. Es hat sich zu einem beliebten Freizeitziel, auch für Familien, und zu einer gefragten Event-Location entwickelt.

Weichenstellungen für die Zukunft

Die Weichen für die weitere erfolgreiche Entwicklung der MVG sind gestellt:

Fahrzeuge: Seit 1992 wurden 534 neue Busse, 134 Tramzüge und 278 U-Bahnwagen beschafft bzw. in Betrieb genommen, dazu 55 Tramzüge komplett modernisiert. Für weitere Beschaffungen sind bereits Optionen fixiert. Beim Bus ist der Buszug das Fahrzeug der Zukunft.
Fahrzeugtechnik: Mit der Beschaffung rückspeisefähiger U-Bahn- und Trambahnzüge wurde die Energieeffizienz erheblich erhöht. Eine Vielzahl neuer Bustechnologien wurde in diesen 24 Jahren erprobt, darunter zuletzt auch etliche Elektrobusse. Auch mit der laufenden Beschaffung zweier eigener Batteriebusse für die Langzeiterprobung leistet die MVG einen Beitrag zur angestrebten Serienreife elektrischer Busse im nächsten Jahrzehnt.
Betriebshöfe: Die MVG hat den parallelen Neubau von drei Betriebshöfen (1 x Bus, 1 x Tram, 1x U-Bahn) eingeleitet, mit dem Ziel, Anfang des nächsten Jahrzehnts im Einklang mit der eingeleiteten Wagenparkentwicklung deutlich höhere Betriebshofkapazitäten nutzen zu können.
Leistungsangebot: Mit der MVG-Angebotsoffensive 2010-2020 wurden die Weichen gestellt für kontinuierliche weitere Ausweitungen des Fahrplan- bzw. Platzangebots bei allen drei Verkehrsmitteln U-Bahn, Bus und Tram. Ab Dezember erfolgt bereits der nächste Ausbauschritt mit einem geplanten Zuwachs von 2,3 % im Fahrplanjahr 2017.
Streckennetz: Die Tram Steinhausen wird am Samstag, 10. Dezember eröffnet. Für die Tram-Westtangente sind die Planungen weit gediehen. Für die nach wie vor hoch nutzbringende Tram-Nordtangente konnten mit der Serienreife des Batteriebetriebs im Abschnitt Englischer Garten die Voraussetzungen für einen Bau ohne jegliche Beeinträchtigung des Gartens durch Fahrleitungsanlagen geschaffen werden. Bei beiden Projekten ist nun bekanntlich die Politik am Zug. Bei der U-Bahn hat die U9-Spange höchste Priorität. Damit wird die Leistungsfähigkeit des U-Bahnsystems nach 2025 erhalten und weiter verbessert.
Modernisierungsprojekte: Insbesondere die drei großen Bahnhofsprojekte Münchner Freiheit, Hauptbahnhof und Marienplatz gelten in der Branche als rundum gelungen und sie kommen bei Münchnern wie Besuchern hervorragend an. Es ist in diesen Fällen gelungen, notwendige Modernisierungen zu verknüpfen mit einer Architektur, die die Reihe besonders sehenswerter Münchner U-Bahnhöfe an herausragenden Stellen dieser Stadt fortsetzt. Sicher wird dies auch für das eingeleitete Großprojekt Sendlinger Tor gelten.

Herausforderungen

1. Bewältigung des weiteren Wachstums und Kapazitätsausbau
Die endliche Kapazität der Netze ist zunehmend spürbar. Besonders deutlich wird die Entwicklung auch bei der Streckenauslastung. Unsere Strecken werden heute je Kilometer im Durchschnitt um 25 % intensiver genutzt als 1992. Baustellen und Konflikte um entsprechende Betriebseinschränkungen werden daher tendenziell zunehmen. Allein bei der U-Bahn sind bereits jetzt ca. 3.500 Einzelmaßnahmen im Jahr 2017 geplant, die weitestgehend in der kurzen Betriebsruhe abgewickelt werden sollen – eine logistische Herausforderung!

2. Sicherung der Betriebsqualität
Eine intensivere Nutzung durch mehr Züge und mehr Fahrgäste bedeutet mehr potenzielle Störquellen – sei es durch Technik, sei es durch Menschen. Bei vollen Bahnsteigen und Zügen wird es schwieriger, Fahrgastwechselzeiten und Zugabstände mit sekundengenauen Fahrplänen durchzuhalten. Jede noch so kleine Störung wirkt sich dann länger und auf mehr Züge aus, weil Pufferzeiten fehlen. Längere Abweichungen betreffen mehr Fahrgäste. Selbst dann, wenn die Störungshäufigkeit konstant bleibt, gibt es dadurch gefühlt mehr Störungen. Der Ausbruch aus diesem Teufelskreis wird letztlich – das ist eine Analogie zur S-Bahn – nur gelingen, wenn die Kapazitäten durch neue Strecken im Zentrum erweitert werden.

3. Personalgewinnung
Die MVG wird in den nächsten Jahren viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen, denn das weitere Wachstum und die altersbedingte Fluktuation überlagern sich. Der Arbeitsmarkt ist aber zunehmend schwierig, gerade hier im Raum München. Personalgewinnung wird daher zu einer großen Herausforderung, die mit diversen flankierenden Maßnahmen wie z. B. dem SWM Werkswohnungsbau begleitet werden muss. Der Personalaufwand insgesamt wird deutlich steigen.

4. Finanzierung
Die Finanzierung bleibt auch in den nächsten Jahren die größte Herausforderung, weil sich mehrere Negativeffekte allesamt addieren: immenser Modernisierungsbedarf in der Infrastruktur, Netz- und Angebotsausbau, steigender Personalbedarf und weitestgehend ausgeschöpfte Rationalisierungsreserven auf der Kostenseite, ungesicherte und tendenziell rückläufige Kofinanzierung durch Bund und Land sowie sinkende Finanzkraft des Querverbundes innerhalb der SWM auf der Einnahmenseite. Ein wirklich dickes Brett!

MVG-Chef Herbert König appelliert daher an alle Verantwortlichen:

Es gilt, den Kapazitätsausbau voranzubringen – mit den richtigen Prioritäten! – und sich darauf einzustellen, dass ein weiterhin erfolgreicher ÖPNV auch in München künftig einen deutlich höheren Finanzierungsbedarf haben wird!
Wortmann übernimmt

Ingo Wortmann (46) übernimmt die Geschäfte als MVG-Chef und SWM Geschäftsführer Verkehr zum 1. November 2016. Er wird derzeit von Herbert König eingearbeitet und fungiert noch bis Ende Oktober als sein erster Stellvertreter.

Der gebürtige Wuppertaler war rund 13 Jahre Geschäftsführer der SWU Verkehr GmbH und der SWU Nahverkehr Ulm/Neu-Ulm GmbH, der Verkehrstöchter der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm. Nach einem Studium der Bautechnik, Fachrichtung Verkehrsplanung und Verkehrssysteme, in Wuppertal (1990 bis 1995) begann Ingo Wortmann 1996 seine Karriere bei den Dresdner Verkehrsbetrieben, wo er zunächst als Referent Grundsatzplanung Verkehr im Vorstandsbüro und anschließend als Chef des Vorstandsbüros tätig war. Er baute in Dresden auch die Abteilung Verkehrsplanung und Marktforschung auf und leitete diese. Zuletzt fungierte er als Co-Leiter Verkehrsmanagement und Marketing.

2003 wechselte Wortmann nach Ulm. Dort zählten unter anderem die Transformation des Verkehrsbetriebs zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen und der Ausbau der Straßenbahn zu einigen seiner Tätigkeitsschwerpunkte.

Ingo Wortmann ist seit 2000 in vielen Funktionen beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aktiv, seit 2010 ebenfalls als Vizepräsident. Er freut sich auf die neue und vielfältige Herausforderung als Nahverkehrschef in München.