Erstmalig war die Aicher Ambulanz Union für den Wiesn-Sanitätsdienst verantwortlich. Wir rechneten zwar mit kleineren Hindernissen, bezweifelten jedoch zu keinem Zeitpunkt unseren Erfolg. Unsere Ärzte und Sanitäter versorgten insgesamt 5796 Patienten (Stand Sonntag, 7.10.2018, 10:00 Uhr). Mit Stolz sprechen wir von einer erfolgreichen ersten Wiesn und freuen uns auf die kommenden drei Jahre auf dem Münchner Oktoberfest.
Personaleinsatz
Über den gesamten Veranstaltungszeitraum war die Sanitätswache mit zehn bis 15 Prozent mehr Personal besetzt, als in der Ausschreibung der Landeshauptstadt München gefordert. Dies entsprach einerseits unserer eigenen Personalplanung, andererseits der großen Motivation unser Sanitäter. „Vielen Sanitätern bereitete die Arbeit auf der Wiesn so große Freude, dass sie sich unaufgefordert für zusätzliche Dienste meldeten“, so Peter Aicher, Geschäftsführer der AICHER GROUP. Die Sorge des Bayerischen Roten Kreuzes hinsichtlich des Personalmangels war daher vollkommen unbegründet. Zahlreiche Sanitäter kündigten sich bereits jetzt für das Oktoberfest 2019 an. Auch für die Zukunft blicken wir dem Personalstand positiv entgegen.
Ein Großteil unserer eingesetzten Sanitäter stammte aus München und Umland. Doch auch aus dem hohen Norden und dem Westen Deutschlands begrüßten wir Helfer. Österreicher, Schweizer und italienische Kollegen fanden sich ebenfalls in unseren Reihen. Das Gefühl einer „gemeinsamen Wiesn“ für die insgesamt über 600 Sanitäter verschiedener Organisationen war tagtäglich spürbar.
Ärzteschaft
In einem Dreischicht-System versorgten Ärzte verschiedener Fachrichtungen gemeinsam mit unseren Sanitätern insgesamt 3333 Patienten (2017: 3449). Vor allem die Anwesenheit verschiedener Fachrichtungen ermöglichte eine umfassende Behandlung bereits in der Sanitätswache und verringerte dadurch eine Überbelastung der Münchner Kliniken. 2576 Patienten konnten direkt nach der medizinischen Versorgung ihren Wiesn-Besuch fortsetzen und mussten nicht zur Behandlung in eine Klinik. Nahezu in jeder Schicht befanden sich gleichzeitig Internisten, Chirurgen, Allgemeinmediziner und Anästhesisten. Unfallchirurgen, Psychiater, Kinderärzte und Handchirurgen ergänzten die Kollegen.
Bei 533 Patienten war trotz umfassender Versorgung eine Verlegung mittels Krankentransportwagen in eine Münchner Klinik zur weiteren Diagnostik notwendig. Die Vorhaltung von insgesamt fünf Krankentransportwagen am Behördenhof verringerte die bereits hohe Belastung der öffentlich-rechtlichen Kranken- und Rettungswagen. Die Integrierte Leitstelle der Berufsfeuerwehr München disponierte daher lediglich 56 Krankentransporte. Bei 196 Patienten war eine Verlegung mit einem Rettungswagen notwendig. 28 Patienten benötigten zusätzlich eine Notarzt-Begleitung.
Unsere Einsatzzahlen bis einschließlich 7.10.2018, 10:00 Uhr:
Trotz höheren Besucherzahlen gingen sind die Einsatzzahlen des Sanitätsdienstes im Vergleich zum Vorjahr (6981 im Jahr 2017) zurück.
Seit 22. September behandelten die von der Aicher Ambulanz Union im Sanitätszentrum auf der Theresienwiese eingesetzten Ärzte und Sanitäter 5796 Patienten.
Bei 3333 Patienten war die Versorgung durch einen Arzt notwendig.
12 Tragenstaffeln rückten 1938 Mal aus, um Patienten auf dem Festgelände erstzuversorgen und anschließend zum Sanitätszentrum zu befördern.
Die durchschnittliche Zeit zwischen Alarmierung und Ausrücken betrug 1:03 Minuten (Tragenstaffeln) sowie 0:20 (First Responder);
Die durchschnittliche Zeit zwischen Ausrücken und Eintreffen am Einsatzort betrug 3:39 Minuten (Tragenstaffeln) und 1:02 Minuten für den First Respoder Die durchschnittliche Zeit zwischen Alarmierung und Eintreffen am Einsatzort betrug 4:42 Minuten sowie 1:23 Minuten für den First Responder.
34 der Patienten erlitten leichte Verletzungen in Fahrgeschäften.
Nach Stürzen und Schnittverletzungen nahmen die Ärzte in zwei Räumen 466 chirurgische Wundversorgungen vor.
1676 Wiesn-Gäste suchten den Infopoint auf. Die dort eingesetzten Sanitäter verteilten 551 Blasenpflaster, 1071 reguläre Pflaster sowie 54 Hygieneartikel.
Meldebilder
Da auf dem Oktoberfest alle Altersgruppen vertreten sind, ist grundsätzlich jede Erkrankung möglich. Mit 1676 Fällen steht die Hilfeleistung an unserem Infopoint sowie an den drei Sanitätscontainern an oberster Stelle. Zu diesen Hilfeleistungen zählte unter anderem die Vergabe von Pflastern und Blasenpflastern sowie von Hygieneartikeln. Im Bereich der klassischen sanitätsdienstlichen Versorgung steht neben den internistischen und chirurgischen Krankheitsbildern die Alkoholintoxikation mit 717 Fällen an erster Stelle.
466 Mal nahmen unsere Ärzte chirurgische Wundversorgungen vor. Vor allem Hände und Füße waren besonders häufig von Schnittwunden betroffen. Ausschlaggebend sind in vielen Fällen das leichte Schuhwerk der Frauen sowie ein zu festes Anstoßen mit Maßkrügen.
Besondere Herausforderungen
Bilden der „Rettungsgasse“
Trotz Trillerpfeife und lautem Rufen stellte sich der Weg durch die Menge für unsere Einsatz- kräfte zur täglichen Herausforderung dar. Die Behinderung der Einsatzkräfte verstärkte sich mit zunehmender Stunde und war stark besuchten Tagen deutlich spürbarer.
Gewalt gegen Einsatzkräfte
Auch auf der Wiesn war der abnehmende Respekt gegenüber Einsatzkräften deutlich spürbar. Insgesamt melden wir sieben verletzte Sanitäter. Bei zwei Kollegen war eine Weiterbehandlung in einer Klinik notwendig.
Nachfolgend einige Auszüge:
Bereits am 22.9. fand ein Übergriff eines Anwesenden auf eine Kollegin am Infopoint des Servicezentrums statt. Eine Patientin trat einem Kollegen in der ersten Wiesn-Woche von der Trage liegend aus absichtlich gegen dessen Kopf. Ein weiterer Kollege wurde von mehreren Faustschlägen im Gesicht getroffen. Beide Kollegen mussten zur Röntgenkontrolle in eine Münchner Klinik. Eine weitere Patientin schlug einem Kollegen mit der Faust ins Gesicht.
Zur Prävention bietet die Aicher Ambulanz Union seit Januar 2018 freiwillige – für aktive Mitarbeiter kostenfreie – Deeskalations- und Selbstverteidigungstrainings an. Ziel ist es, sich in kritischen Situationen die notwendige Zeit zu verschaffen, um Unterstützung seitens der Polizei zu organisieren.
Tage mit besonders hohem Einsatzaufkommen
In den Abendstunden des 6. Oktober 2018 zeichnete sich ein hohes Einsatzaufkommen ab. Innerhalb von 30 Minuten haben wir den Ruheraum um weitere acht Plätze aufgestockt. Diese Plätze waren vollständig in das bestehende Netzwerk eingebunden sowie mit einem Computer und einem Telefonanschluss ausgestattet. Unser firmeneigener Gerätewagen 25 stand darüber hinaus vorsorglich mit einer Zeltheizung sowie mit zusätzlichem Material bereit.
Auszüge unserer Einsätze
Am 28. September übernahmen zwei unserer Tragenstaffeln die Reanimation des 58 jährigen Wiesn-Besuchers Thomas M. Innerhalb von vier Minuten befanden sich die Sanitäterteams vor Ort und unterstützen den anwesenden Notarzt direkt nach Eintreffen am Einsatzort bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung.
Doch auch von skurrilen, lustigen Einsätze können wir berichten:
Bei unserem ersten stark alkoholisierten Patienten handelte es sich um einen vermeintlichen Mönch. Bei genauerem Hinhören stellte sich jedoch schnell heraus, dass dieser keinerlei Kennt- nisse des Ordenslebens aufwies. “Vor allem seine fehlenden Lateinkenntnisse schienen mir zweifelhaft”, so ein anwesender Theologe. Bei genauerem Nachfragen und genauem Zuhören konnte die vermeintliche Tarnung des circa 50 jährigen Mannes jedoch aufgedeckt werden.
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Nur die Liebe zählt! So erinnerte sich ein Ende zwanzig jähriger Amerikaner nur noch an den Namen seiner Frau sowie an ihre amerikanische Handynummer. Am frühen Mittwochabend fanden ihn Sicherheitskräfte bewusstlos vor einem Festzelt auf und verständigten sogleich den Sanitätsdienst. In der Sanitätswache angekommen, war unser Patient zwar wieder ansprechbar, jedoch konnte er sich weder an seinen eigenen Namen, seine Herkunft oder seinen Wohnort erinnern. Da der Anruf auf der angegeben – amerikanischen – Handynummer zuerst erfolglos war, recherchierten wir weiter und riefen bei einer in der Tasche gefundenen Hotelkarte an. Prompt antwortete uns der Portier, dass seine Frau ihn bereits verzweifelt suche und teile ihr dies per E-Mail mit, die sie offensichtlich auf ihrem Mobiltelefon empfing. Die völlig aufgelöste Touristin machte sich sogleich mit dem Taxi auf den Weg zu uns in die Wiesn-Wache. Weinend vor Freude und Erleichterung schloss sich das seit einem Jahr verheiratete Paar gegen 22:30 Uhr in die Arme und konnte gemeinsam den Heimweg antreten. Am nächsten Morgen traten sie gemeinsam die Reise nach Venedig an.
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Dass viele Patienten sich bei uns in der Sanitätswache pudelwohl fühlen – am liebsten gar nicht mehr gehen möchten – bewies gestern Abend unsere 21-jährige Patientin Marta aus Italien. Nach zu viel konsumiertem Alkohol kam sie mit Hilfe einer Tragenstaffel zu uns in die Sanitätswache. Unsere Ärzte und Sanitäter päppelten sie soweit wieder auf, dass ihr Freund sie rund zwei Stunden später abholen konnte. Als dieser Moment jedoch gekommen war, fing sie bitterlich an zu weinen und obwohl ihr Freund sich rührend um sie kümmerte, konnte er sie nicht vom Mitgehen überzeugen. Letztlich klebte sie sich sogar selbst mit Klebeband an eine unserer Tragen…Da wir ihr dennoch keine Herberge auf Dauer bieten konnten, überwand sie sich letztlich doch noch und stürzte sich gemeinsam mit ihrem Freund erneut ins Wiesn-Treiben.
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“Heiß erwischt” hatte es den 40 jährigen Iren Anthony. Um dem Trubel im Zelt zu entkommen, bestellte er sich ein Hendl to go. Als dieses in einem Tütchen bei ihm ankam, wollte er seine leckere Errungenschaft erst einmal begutachten und nahm es ohne zu zögern aus der Tüte.
Da das Hendl jedoch frisch aus dem Grill kam, verbrannte er sich die Finger an beiden Händen. Hier nahm das Übel der Geschichte seinen Lauf: Aus Reflex warf er das gute Stück in die Menge, woraufhin ihn ein Security wegen des ungewollten Wurfgeschosses aus dem Zelt begleitete. Es kam jedoch noch schlimmer: Anthony fiel erst nach seinem Rauswurf auf, dass seine Freunde noch Handy, Geld, Schlüssel sowie die Kontaktdaten des Hotels bei sich trugen. Bei uns angekommen, erinnerte er sich vor Aufregung nicht einmal mehr an den Namen des Zeltes. Zum Glück kamen seine Freunde nach kurzer Zeit auf die Idee, ihn zu suchen und holten den vor Verzweiflung weinenden Anthony bei uns in der Sanitätswache ab.
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Auf eine “Wohnungsöffnung” rückte eine unserer Fahrtragen gestern gemeinsam mit den Kollegen der Berufsfeuerwehr München aus. Der Gast eines Bierzeltes hatte sich in der Toilette verbarrikadiert und reagierte nicht auf Ansprache von außen. Das bedeutet für uns bereits höchste Alarmstufe. Zudem war ein Öffnen der Tür augenscheinlich aufgrund der Lage des Patienten nicht möglich. Unsere Trage erreichte die Einsatzstelle in wenigen Minuten. Bis dahin hatte der vermeintliche Patient jedoch bereits auf die Weckversuche des Zeltpersonals reagiert und die Toilettenkabine gesund und munter wieder verlassen.