Der höhere Bedarf an Hygieneprodukten zur Desinfektion führt zu temporären Versorgungsengpässen und zu steigenden Preisen. TÜV SÜD weist darauf hin, dass der kurzfristige Import solcher Produkte aus dem EU-Ausland aufgrund der gesetzlichen Anforderungen kaum sinnvoll ist.
Um den hohen Bedarf zu decken, gibt es in Deutschland zwar vorübergehend eine Allgemeinverfügung zur vereinfachten Zulassung von Handdesinfektionsmitteln (Aktenzeichen 5.0- 710 30/01.00004). „Allerdings gilt diese Allgemeinverfügung nur für sieben genau spezifizierte Formulierungen“, sagt Rupert Scherer von der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. „Sobald die Formulierung abweicht oder ein Biozid-Produkt für einen anderen Zweck wie beispielsweise die Flächendesinfektion bestimmt ist, müssen alle Vorschriften des europäischen Chemikalienrechts wie REACH, CLP oder Biozid-Produkt-Verordnung (BPR) eingehalten werden – und zwar zum Zeitpunkt des Importes.“ Dabei werde leicht übersehen, dass es bei der BPR im Gegensatz zu REACH keine Mengenschwelle gebe und die Verordnung bereits beim Import von kleinen Mengen von Desinfektionsmitteln anzuwenden sei.
Strenge Anforderungen an den Import
Der TÜV SÜD-Experte zählt einige konkrete Anforderungen auf, die beim Import von bioziden Produkten zu beachten sind: Das Produkt darf nur Wirkstoffe enthalten, die im Zulassungsprogramm für die konkrete Anwendung aufgeführt sind. Zudem muss die Wirksamkeit des Produkts durch eine Prüfung nachgewiesen und eine entsprechende Bestätigung vorhanden sein. Der Import ist gleichzeitig ein Inverkehrbringen. Ein Inverkehrbringen ist aber nur möglich, wenn der Hersteller (= Importeur) ein eingetragener Wirkstofflieferant nach Artikel 95 BPR ist. Schließlich muss das Produkt bereits zum Zeitpunkt des Importes nach den Vorgaben von CLP und BPR gekennzeichnet sein.
„Allein der Eintrag nach Artikel 95 BPR kann pro Wirkstoff einen höheren vierstelligen bis fünfstelligen Betrag kosten und die Zulassung eines bioziden Produkts auf Basis des europäischen Chemikalienrechts ist noch um ein Vielfaches zeitaufwändiger und teurer“, betont Rupert Scherer. „Dann kann aus einem vermeintlichen Schnäppchen schnell ein großes Verlustgeschäft werden.“ Da die BPR auf den EU-Raum zugeschnitten ist und Nicht-EU-Lieferanten mit den Vorgaben im Einzelnen nicht vertraut sind, müssen möglicherweise vorliegende Compliance-Zusicherungen nach Ansicht des TÜV SÜD-Experten sehr kritisch hinterfragt werden. Nur eine kompetente Beratung vor dem Import eines Biozid-Produkts kann gewährleisten, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und dass ein kurzfristiger Import nicht in der Entsorgung des Produkts und einem finanziellen Fiasko endet.
Weitere Informationen zum europäischen Chemikalienrecht und den Dienstleistungen von TÜV SÜD unter https://www.tuvsud.com/de-de/indust-re/reach-und-ghs-info/reach-informationen.