Von den 173 Schaustellerbetrieben, die auf der Wiesn vertreten sind, haben etwa 90 Prozent ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert. Heute werden viele dieser nostalgischen Fahrgeschäfte nur noch auf dem Oktoberfest aufgebaut und nicht nur von Schaustellern, sondern auch von Privatleuten betrieben. Sie verkörpern lebendige Schaustellertradition.
Autoskooter
Dodgem“ hieß der erste Autoskooter, der seit 1 921 in den USA und Großbritannien Volksfestbesucher begeisterte. Der deutsche Großschausteller Heinrich Haase brachte diese innovative Volksfestattraktion1 9 26 nach Deutschland. Noch in den 19 20er Jahren übernahm der Münchner Schausteller Willi Lindner den Autoskooter von Heinrich Haase, der die schnittigen Flitzer aus Amerika auf die Wiesn importierte. Seither und bis heute ist der Name Lindner mit dem Betreiben von Autoskootern auf dem Oktoberfest verbunden.
Waren die ersten Skooter noch amerikanische oder englische Importe, nahmen 19 26/27 deutsche Hersteller die Neuheit ins Programm auf. Die Bezeichnung „Autoskooter“ taucht um 1939 auf und wird nach dem Zweiten Weltkrieg zum festen Begriff. 1958 führte Heinz Distel den Chip für Skooter in Deutschland ein und setzte mit dem Automatic-Scooter ein Zeichen für den weiteren Bestand dieses Fahrgeschäfte.
Heute finden sich auf der Wiesn hochmoderne Autoskooter ebenso wie nostalgische aus dem letzten Jahrhundert. Kurt Geier jun. bringt einen restaurierten Holzpfosten-Autoskooter von 1956 auf die Oede Wiesn. Original Mosaik-verspiegelte Holzpfosten, eine Schindelholz-Kassa und 18 Oldtimer-Chaissen (Ihle Mercedes 1 968-72, Ihle Einsitzer Go-Kart 1968 und Reverchon Europa 1963) sorgen für das richtige Rock ’n‘ Roll-Feeling mit Pettycoat und Elvis-Tolle.
Standorte: Wirtsbudenstraße8 0, Straße C/ Nr.7, Schaustellergtraße1 , 19 . 35 und
49 sowie auf der Oidn Wiesn
Dicke Berta
Kraftmesser waren schon recht frtlh beliebte Volksfestbelustigungen. Erste Belege gibt es aus Frankreich um 1820/40. Vom einfachen Hauen mit der Faust auf ein Polster, wo die Wucht des Schlages auf einer Skala mit Zeiger abgelesen werden kann, bis zum kunstvoll dekorierten Schlaghammer, wie der „Hau den Lukas“ offiziell genannt wird, gab und
gibt es viele Möglichkeiten, seine Heb-, Zug-, Stemm-, Watsch- Handdruck- oder Lungenkraft unter Beweis zu stellen.
Die „Dicke Berta“ mit ihrer 30 Kilogramm schweren Kanone wurde nach einem bekannten Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg benannt, das auf Grund seiner Größe und Durchschlagskraft sehr bekannt war. Sie funktioniert nach dem Prinzip der „Burenkanone“ (um 1900), die bis in die 19 60er Jahre auf Volksfesten aufgestelltw urde: Auf einem Gleis gleitet durch Stoßkraft eine schwere Kanone nach oben bis zum Anschlag. Schlägt sie oben an, wird durch eine Zündkapsel ein Knall erzeugt
Standort: Oide Wiesn
Calypso
1958 brachten die Münchner Schausteller Anton Bausch und Eugen Distel beide bekannt für Innovationen, den von der Firma Mack in Waldkirch erbauten Karusselltyp erstmals auf die Wiesn. Ein Modetanz aus Südamerika inspirierte nicht nur bei der Namensgebung, sondern auch die raffinierte Konstruktion. Mit dem typischen 50er-Jahre-Design und seiner rasanten Fahrt und unberechenbaren Richtungswechseln wurde dieses Fahrgeschäft schnell zum Publikumsmagneten.
Das Calypso auf der Oidn Wiesn stammt aus dem Jahr 1962 und wurde von Hubert Winheim für die Jubiläumswiesn 2010 zur Freude vieler Fans wieder flott gemacht.
Standort: Oide Wiesn
Fahrt ins Paradies
Bei Berg- und Talbahnen fahren in der ursprünglichen Form meist acht Wagen fürjeweils acht bis zehn Personen im Kreis hintereinanderü ber zwei Berge und Täler. Diese Rundfahrgeschäfte wurden als „switchbacks‘ wahrscheinlich in England in den 1880-Jahren erfunden. Hugo Haase war um 1890 einer der ersten deutschen Hersteller von Berg- und Talbahnen, im gleichen Jahr kamen auch die Firmen Bothmann und Stuhr mit dieser Neuheit auf den Markt.
Die vierhügelige Berg- und Talbahn „Fahrt ins Paradies“ ließ der Schausteller Jacob Pfeiffer 1 939 in der renommierten Karussellfabrik Friedrich Heyn im thüringischen Neustadt an der Oda bauen. In den 1950er Jahren war das Karussell eingelagert und überdauerte im ursprünglichen Originalzustand, bis es 2003 von Toni und Jakob Schleifer übernommen und aufwändig restauriert wurde.
Dank der hervorragenden Originalsubstanz mit den ursprünglichen Malereien und grazilen Figuren entstand eine nostalgische Kostbarkeit mit hohem Vergnügungsfaktor. Der Freundeskreis Kirmes und Freizeitparks e.V. verlieh 201 1 Toni Schleifer den FKF-Award für besondere Verdienste und Leistungen der Schausteller- und Freizeitparkbranche.
Standort: Oide Wiesn
Flohzirkus
1948 schlug der Flohzirkus von Familie Mathes, einer alten Nürnberger Schausteller-Dynastie, die etwa 1 50 Jahren einen Flohzirkus betrieb, zum ersten Mal auf dem Oktoberfest seine Zelte auf. 2010 übernahm der langjährige Mitarbeiter der Familie Mathes, Robert Birk, den Flohzirkus und führt die Tradition bis heute fort.
Standort: Straße 1/ Nr. 7
Geisterbahnen
Die erste Geisterbahn Deutschlands stand 1931 auf dem Hamburger Dom Der Erfolg dieser Neuheit muss grandios gewesen sein, denn bereits ein Jahr später gab es – wie heute – auf dem Oktoberfest vier Geisterbahnen zur Gruselgaudi der Wiesn-Gäste.
Standorte: Schaustellerstraße 15 (Shocker). Schaustellerstraße 58 (Fahrt zur Hölle). Straße C/ Nr. 3 (Geisterschloss) und Matthias-Pschorr-Straße 50 (Nostalgische Geisterbahn)
Hängekarussell
Seit Generationen in Familienbesitz ist Karl Heinz Wittmanns Kinder-Hängekarussell. eines der letzten dieser Art. 1 905 ließ Anton Wittmann, der Urgroßvater des heutigen Besitzers, in Stuttgart ein Fliegerkarussell mit Hängekörben und Pferden erbauen. Zunächst mit Muskelkraft betrieben und Mitte der 1 920er Jahre auf Wellenantrieb mittel Dampfmaschine umgestellt, dreht sich seit 1 928 bis heute das Karussell mit einem Schleifring-Elektromotor der Firma Siemens. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Hängekarussell eingeschlagen in Öltüchern und vergraben auf dem großväterlichen Anwesen in lllertissen.
Die Bemalung hatte mittlerweiles tark gelitten und musste erneuert werden. Dazu engagierte 1956 Wittmanns Großvater Karl den Augsburger Maler Josef Wallner, der lange Zeit für die Karussellfabrik Zierer gearbeitet hat und in der Schaustellerbranche bekannt warb Wallner hatte gute Kontakte in die USA und schlug vor, Micky-Maus-Motivef ür das Kinderhängekarussell zu verwenden.
Walt Disney persönlich soll seine Einwilligungg egeben und viele Motive geschickt haben. So bekam ein altes Fahrgeschäft als eines der ersten Karussells in Deutschland eine damals hochmoderne Optik. Die Bemalung ist heute zum größten Teil noch im Original zu sehen. Von allen Karussells hat das Hängekarussell mit Belegen aus dem frühen 18 . Jahrhundert die längste Tradition. Die Bauweise ist einfach: An Ketten oder Stangen, die an den „Auslegern“, den horizontalen Armen des Drehgestells, hängen, sind die Besatzungsteile, oftmals Holzpferde, befestigt.
Hexenschaukel
Die „lllusionsschaukel“,a uch „drehbares Haus“ genannt, ist eine der ältesten Jahrmarktsillusionen und wurde 1 894 aus Amerika kommend in Deutschland eingeführt. Bei dieser verblüffenden Täuschung wird der Gleichgewichtssinn gestört, indem der Raum von außen um die Schaukelachse gedreht wird. Einige wenige Exemplare der Hexenschaukei haben sich bis heute auf Jahrmärkten gehalten.
Standorte: Schaustellerstraße 31 und Oide Wiesn
Irrgarten
Die Tradition der transportablen Irrgärten reicht in das Jahr 1 890 zurück. Diese Belustigungsgeschäftes ind insbesondere berühmtf ür ihre klangvollen Namen wie zum Beispiel „Fluch des Pharao“ oder „Atlantis Auf dem Oktoberfest steht der größte reisende Doppelstock-Glas-Irrgarten von Edgar und Renë Rasch.
Standort: Straße 2/ Nr. 7
Jahrmarktsfotografie
Seit circa 1 880 haben sich Berufsfotografen auf das Volksfestgeschäft spezialisiert. 18 86 standen auf dem Oktoberfest zwölf Fotografenbuden. Heute können sich die Besucher der Wiesn wahlweise von einem Nostalgie- oder einem Gaudifotografen ablichten lassen. Daneben besteht in zahlreichen Schießbuden die Möglichkeit, ein Foto zu „schießen“. Nicht vergessen werden dürfen die Schnappschuss-Schießer in den Zelten, die Fotos der Bierzeltgäste als Schlüsselanhänger zum Verkauf anbieten.
Standorte: Schaustellerstraße 17(Nostalgiefotograf),Straße 1/ Nr. 22 (Scherzfotograf)
Kettenflieger
Zu den ältesten Fahrgeschäften auf der Wiesn zählt der Kettenflieger Kalb
der 1919 von der Berliner Firma Gundelwein und Fischer hergestellt wurde. Das Fluggeschäft trägt eine Originalbemalung der Dekorationsteile durch den Schaustellermaler Konrad Ochs und wird heute in dritter und vierter Generation von Hans Martin Kalb und seinem Sohn Florian betrieben. Die ersten kleinen Kettenflieger dürften um die JahrhunderMende entstanden sein und standen thematisch in Zusammenhang mit der Entwicklung der Luftfahrt (Zeppelin, Gebrüder Wright) .
Standort: Oide Wiesn
Krinoline
Diese Karussellart ist mit Vorläufern aus der Zeit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, der Name „Krinoline“ taucht erstmals um 1900 auf. Die Konstruktion mit schwankender Plattform wurde anfangs per Hand in Schwung gebracht.
Erst 1 909 brachte ein Sachs-Elektromotor Fahrgeschäfte dieser Art in Fahrt. Karussells wie die Krinoline gehören neben den Schaukeln zu den ersten Fahrgeschäften auf dem Oktoberfest Noch mit Muskelkraft wurde die Münchner Krinoline betrieben, als dieser Karusselltyp 1 924 erstmalig auf dem Oktoberfest das Publikum begeisterte. Dieses Karussell kam von der Spree an die Isar und war in den ersten Jahren die Attraktion unter den Fahrgeschäften.
Als um 1937 Zugspitzbahnen als Neuheit zur gefährlichen Konkurrenz wurden, hatte der Krinoline-Besitzer Michael Großmann eine Idee mit Zukunft. Er modernisierte das Fahrgeschäft mittels elektrischem Antrieb mit Planetengetriebe und Zugfedern-Schwing-Mechanismus. Als zusätzlichen Clou engagierte er eine Blaskapelle, die die Karussellfahrt mit Stimmungsmusik begleitete.
Diese Tradition wurde bis heute zur Freude aller Krinoline-Fans vom Enkel Theo Niederländer weitergeführt, der 2009 das Karussell mit Kult-Charakter seinem Sohn Matthias übergab.
Standort: Schaustellerstraße 48
Münchner Marionettentheater
Die lange Tradition des Münchner Marionettentheaters reicht bis in das Jahr 1858 zurück, als sich der Bürger und Vereinsaktuar Josef Leonhard Schmid – später berühmt als „Papa Schmid“ – an die Stadt München wendet mit der Bitte um Begutachtung seines Planes zur „Errichtung eines ständigen Marionettentheaters für Kinder“.
Sein Ansinnen war es, den Münchner Kindern „lediglich auf Schickliches, Religion und Sittliches“ beschränkte Stücke vorzuführen, anders als es bis dahin auf Duften und bei Pulcinellenbuden mit rohen „Hanswurstiaden“ üblich war. Noch vor der städtischen Beschlussfassung wendet sich Papa Schmid an den Münchner Jugendschriftsteller, Hofbeamten und Künstler Franz Graf von Pocci und bittet ihn um Unterstützung bei seinem Projekt.
Pocci bietet umgehend seine Hilfe an und wird so zum Protektor und Förderer von Anbeginn — er ist auch der „Erfinder“ des berühmten Kasperl Larifari, der von nun an der „Hausherr“ des Münchner Marionettentheaters ist. Unter seiner Feder entstehen über 45 Kasperl-Stücke für das Haus. Intendant des Münchner Marionettentheaters mit Stammsitz in der Blumenstraße ist der Puppenspieler, -bauer und -sprecher Siegfried Böhmke.
Standort: Oide Wiesn
Raupenbahn
Eine Variante der Berg- und -Talbahn ist die Raupenbahn, deren erste Exemplare 1925 in Betrieb gingen. Während der Fahrt stülpt sich plötzlich eine Verdeck über die Passagiere im Wagenzug, der dann an eine rasant kriechende Raupe erinnert. Peter Buchholz bringt die größte reisende original Raupenbahn mit 24 Wagen auf die Oide Wiesn. Die Bahn wurde um 1926 von der Firma Bothmann in Gotha erbaut.
Standort: Oede Wiesn
Revue der Illusionen
Gaby Reutlingers Schaubühne zeigt im Programm einige der klassischen alten lllusionsnummern. die es in reisenden Varietës schon vor hundert Jahren gegeben hat: „Die Frau ohne Unterleib“, Die Frau ohne Kopf‘, „Die schwebende Jungfrau“ und „Der sprechende Kopf‘ verblüffen heute wie damals die Zuschauer.
Dieses lllusionstheater ist wohld as letztes einer Art in Europa. Immer auf der Suche nach weiteren historischen Illusionen ist es ein besonderes Anliegen der Unternehmerin, die Tradition dieser Jahrmarktsunterhaltung hochzuhalten In der zweiten Hälfte des 1 9. Jahrhunderts tauchten auf Volksfesten die Varietëtheater auf.
Sie unterhielten das Publikum mit einem bunten Nummernprogramm. Es traten auf: Tänzer, Sänger, Puppenspieler, Akrobaten, Magier mit Kunststücken durch optische, chemische oder mechanische Effekte. Seit dem 20. Jahrhundert nimmtd ie Beliebtheitd er Schaustellungen mit dem Aufschwung der Fahrgeschäftindustrie und dem Aufkommen von Film, Rundfunk und Fernsehen immer mehr ab
Standort: Schaustellerstraße 8
Riesenräder
Vorgänger des Riesenrads ist die „Russische Schaukel“ mit vertikalen Kreisbewegungen, die im 18. Jahrhundert vor allem in Russland und im Vorderen Orient (frühester Beleg 1620, Türkei) weit verbreitet war. Transportable „Russische Schaukeln“, auch „Russenräder“ genannt oder pleasure wheels“ (amerikanisch), werden ab 1 880/90 erstmals erbaut. Sie weisen eine Maximalhöhe von zwölf Metern auf und waren mit sechs bis zwölf Gondeln bestückt.
Das erste Riesenrad, wie wir es kennen, wurde anlässlich der Weltausstellung 1893 in Chicago errichten das „ferris wheel“ war eine stationäre.Stahlkonstruktion von 76 Metern Höhe. Von den feststehenden Nachbauten in London (1 894), Wien (1 897) und Paris (1898) blieb nur das Riesenrad im Wiener Prater übrig.
Erst ab 1960 wurden die heutigen transportablen Riesenräder aus Stahl entwickelt. In Deutschland betreibt eine kleine Gruppe von Schaustellerfamilien die Riesenräder. Die Konkurrenz trieb diese Riesenräder in die Höhe. Das Münchner Oktoberfest-Riesenrad der Familie Willenborg. 19 79 von der Firma Schwarzkopf erbaut, ermöglicht mit 50 Metern Höhe einen beeindruckenden Blick über die Theresienwiese und die ganze Stadt.
Standort: Straße 5/ Nr. 2
Russenrad
Das kleine Riesenrad oder auch „Russenrad“ der Familie Koppenhöfer mit der kunstvollen alten Noten-Konzertorgel der Gebrüder Bruder aus Waldkirch im Breisgau ist Stammgast auf der Wiesn. 19 25 beauftragte Josef Esterl die Karussellfabrik Gundelwein in Wutha/ Thüringen mit dem Bau einer „Russischen Schaukel“ (siehe auch „Riesenrad“). Im Juni 1925 nahm Esterl sein neues Fahrgeschäft in Betrieb.
Ursprünglichh atte es eine geschnitzte Fassade mit Malereien, die in den 1950er Jahren gegen die heutige ausgewechselt wurde. Bis um 19 60 galt es mit zwölf Gondeln und einer Höhe von 14 Metern als das größte transportable Riesenrad Süddeutschlands. In dritter Generation führen Herbert Koppenhöfer und seine Schwester Edith Simon, die Enkel von Josef Esterl, das Familiengeschäft fort.
Standorte: Schaustellerstraße 44
Rollende Tonnen
Lachen am laufenden Band ist die Devise des Laufgeschäfts. dessen Typ als „Die lustigen Röhren“ erstmals 1912 in der Volksfestlandschaft auftaucht. Das Prinzip ist dabei einfach, aber wirkungsvoll: Zwei nacheinander liegende ausgepolsterte Röhren von etwa zwei Meter Durchmesser drehen sich langsam jeweils in die entgegengesetzte Richtung. Es gilt, aufrechten Ganges die Tonnen zu durchschreiten. Zum Gaudium des Publikums gelingt dies aber nicht immerl Willy Fellerhof restaurierte das 1 921 erbaute Belustigungsgeschäft. Seine Rollende Tonnen“ sind das einzige noch existierende und in Betrieb befindliche Laufgeschäft mit einer Leinwandfassade im Originalzustand. Die LED-Beleuchtung im Stil der Glühlampen aus den 30er Jahren ist ein Zugeständnis an den Umweltschutz
Standort: Oide Wiesn
Scheibenschießen
Einen authentischen Raumeindruck aus der Zeit um 1900 vermittelt die Schießbude von Maximilian Fritz, die erstmals auf der Oidn Wiesn zu finden ist. Der Antiquitätenhändler erwarb 1 986 das Schießgeschäft der langjährigen Wiesn-Beschickerin Kunigunde Keppler, das aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt.
Mit einer holzgeschnitzten und mit Ölmalereien auf Leinwand verzierten historischen Fassade der „Schießhalle B. Dietrich“ von 1920 aus dem Erbacher Raum/ Odenwald verbuendete Fritz die alte Kepplersche Schießbude und machte sie mit der aufwändigenP erlendekorationz u einem Schmuckstück. Mit der historischen Fassade konnte Maximilian Fritz auch bewegliche Zielscheiben original aus der Zeit von 1880 bis 19 20 der bekannten Herstellerfirmen O. Will und J. Ratschek ankaufen.
Die Figuren und Scheiben aus bemaltem Eisenblech, meist mit Tonpfeifen bestückt, zeigen originelle Motive, wie zum Beispiel den Zahnarzt mit Patienten, und bewegen sich teilweise mittels einer Bewegungsmechanik, die früher mit viel Manpower per Hand getätigt wurde, heutzutage aber elektrisch funktioniert. Mechanische Zielobjekte sind in Deutschland wahrscheinlich um 1870 aufgekommen und waren bis in die 1970er Jahre in Gebrauch.
Standort: Oide Wiesn
Altbairisches Scherbenschießen
Die ersten Schießgeschäfte hielten als Schießstände um 1 840 auf Volksfesten Einzug. Ab 1 870 wurden die ersten Schießbuden aufgebaut. Heute stehen moderne Schießwagen auf den Volksfestplätzen. Um 1880 kam das Schießen auf Objekte aus Ton auf. Tabakspfeifen.
Tierfiguren, kleine Scheiben in Rund- oder Sternchenform (Flattern) oder Tontöpfchen (Scherben) waren die Artikel, die die Schießbudenbesitzer damals fast ausschließlich von Tonwaren- oder Tonpfeifenfabriken aus dem Westerwälder Kannenbäckerland bezogen. Die vertraute Form des Schießens auf bunte Kunstblumen oder andere Objekte wurde erst ab 19 30 eingeführt.
Was damals auf Tonröhrchen zum Abschuss frei gegeben wurde, steckt heute meistens auf Plastiksteckern. Das Schießen auf Ton ist eine Besonderheit, die ein Schütze auf der Wiesn auch heute noch kennen lernen kann. Mary Schröder (1899 – 1975) baute in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine Schießbude.
Mit ihrem „Altbairischen Scherbenschießen“ stand sie im Jahr 1 949 auf der ersten Münchner Wiesn nach dem Krieg. 1 965 wurde die alte Bude TUV-gerecht modernisiert, ohne den Grundbau anzutasten. Das Erscheinungsbild blieb bis heute bestehen, wie alte Fotografien der Schießbude belegen. Die Familientradition führt die Enkelin Ursula-Josy Steinker fort, die das Scherbenschießen 1994 von ihrer Mutter Lilo Steinker-Schröder übernahm und nur noch auf der Wiesn aufbaut. Hier kann geschossen werden wie in früheren Zeiten — auf original Tonröhrchen und -töpfchen. den sogenannten „Scherben‘
Standort: Straße 5/ Nr. 16 (neben der Abenteuerbahn Odyssee)
Schichtl
1 871 rekommandierte Papa (Johann) Schichtl, Besitzer des „Original-Zauber Spezialitäten-Theaters“, seine „Extra-Galavorstellung mit noch nie dagewesenen Sensationen“ mit den Worten „Auf geht’s beim Schichtl“.
Im legendären Wiesn-Varietë, das Zauberei, Puppenspiel, Kuriositäten und vieles mehr dem staunenden Publikum bot, wird auch heute noch die „Enthauptung einer lebendigen Person mittels Guillotine“ zelebriert. Ein weiterer Höhepunkt des bunten Programms war der traditionelle Schmetterlingstanz der Elvira. Manfred Schauer, selbst ein Münchner Original und stolz darauf, als „Herr Schichtl“angesprochen zu werden, leitetd erzeit das Varieté.
1985 begann seine Oktoberfest-Karriere als Schichtl – noch unter der Prinzipalin Franziska Eichersdörfer – mit der Devise „Zeigen, was ma kann und verbergen, was ma nicht kann‘. 1986 übernahm er zunächst mit einem Kompagnon die Schaubude, seit 1 999 führt er sie in Eigenregie. Wie Manfred Schauer in. seiner Parade zur Musik der Bluesbrothers die
Schichtl-Truppe vor jeder Vorstellung fetzig präsentiert, wie er mit frechen Sprüchen das Publikum fesselt und mit subtilem bis derben Humor das Tagesgeschehen kommentiert, das ist sehenswert.
Standort: Schaustellerstraße 54
Schiffschaukel
Um 1890 kam die heute gebräuchliche Form der Schiffschaukel für zwei Personen auf. Bereits im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert sind Vorläufer dieses Fahrgeschäfts bezeugt, beispielsweise im Wiener Prater. Die Schiffschaukeln sind heute die einzigen Fahrgeschäfte, bei denen der Fahrgast die Bewegung selbst erzeugt. Der Reiz der eigenen Aktivität ist Grund der fortdauernden Beliebtheit dieser nostalgisch anmutenden Attraktion. Als Fortentwicklungen gelten die Überschlag- und Gesellschaftsschaukeln der 30er Jahre des 20.Jahrhunderts bis hin zum „Fliegenden Holländer“ um 1980.
Standorte: Straße 4/ Nr. 4 (Käfigschaukel), Matthias-Pschorr-Straße 14
(Überschlagschaukel) und Oide Wiesn (Schiffschaukel)
Springpferdekarussell
Die Konstruktion des Bodenkarussells soll – laut Florian Dering vom Münchner Stadtmuseum – in den 1 870er Jahren entstanden sein und gilt als die wohl typischste Karussellform. Bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war es die gängige Ausführung eines einfachen Karussells. Eine Sonderform des Bodenkarussells mit feststehendem Umbau ist das Springpferdekarussell. Bei diesem Rundfahrgeschäft wird das Galoppieren
der Pferde mittels Sprungfedermechanik nachgeahmt. Oft sind auch vom Fahrgast in eigener Kraft betriebene Kurvenschiffschaukeln auf dem Karussell. Springpferdekarussells tauchen bereits in den 1880er und 1890er Jahren in den Katalogen der Fahrgeschäftehersteller auf. Nostalgischen Karussellvergnügen können Gäste der Oidn Wiesn auf dem Springpferdekarussell „Evergreen“ aus dem Jahr 1910 auskosten. Die
Schaustellerfamilie Ernst fand in Vechta eine alte Karussell-Ruine und restaurierte sie in vielen Arbeitsstunden. Das größtenteils aus originalen Teilen um 1900 erbaute historische Fahrgeschäft wurde im Laufe seiner Existenz in Details bereits umgebaut oder ergänzt, so nachweislich in den 1 950er Jahren. Alle Pferde stammen aus der berühmten Caroussell-
Pferde- und Kunstfiguren-Fabrik Friedrich Heyn, die von 1870 bis 1959 in Neustadt an der Oda bestand. Sie sind es wert, genau betrachtet zu werden: Jedes der originalen Pferde ist ein Unikat und Zeugnis einer kulturellen Epoche. Die Holzpferde sind mit reichlich Schnitzereien, Messingapplikationen, geschliffenen Spiegeln, Schweifen aus Roßhaar
und ausgefallenen Sätteln verziert. Obwohl damals in Serie produziert, haben die Rösser nur Statur, Kopf und Mähnenform gemeinsam. Gesichtsausdruck und Verzierungen waren immer individueller Ausdruck des jeweiligen Holzbildhauers. Farbgebung und Ausdruck waren dem jeweiligen zeitgenössischen Kunstgesëhmack angepasst. Neben den
Pferden ist das Karussell mit einem Elefanten und zwei Prunkschlitten bestückt. Die Holzbodenkonstruktion hängt noch an den ursprünglichen gedrehten Messingstangen. Eine Seltenheit sind die gut erhaltenen Ölmalereien auf Leinwand für den Plafond und die Trichterbilder. Eine Orgelfassade der Firma Wrede aus Hannover rundet das erlebbare Museumsstück“ ab.
Standort: Oede Wiesn
Teufelsrad
Dieses Belustigungsgeschäft, auch „Taifun“ oder „Freudenrad“ genannt, kam um 1910 auf. Es ist ein Geschicklichkeitstestf ür die Mitfahreru nd eine große Belustigung für die Zuschauer. Der Erfolg eines Teufelsrads steht und fällt mit dem Rekommandeur, der das Publikum animiert und die „Mitwirkenden“ kommentiert. Schon Karl Valentin und Liesl Karlstadt haben sich auf der Wiesn in Felde’s Teufelsrad amüsiert, das nur noch auf
dem Oktoberfest aufgebaut wird.
Standort: Schaustellerstraße 5
Toboggan
Rutschbahnen gab es seit dem frühen 19. Jahrhundert. 1906 baute der Badener Anton Bausch nach Pariser Vorbild den wahrscheinliche rsten deutschen Toboggan, eine ursprünglich amerikanische Turmrutschbahn. „Toboggan“ stammt aus der Sprache der kanadischen Algonkin-Indianer, und bezeichnet einen leichten Schneeschlitten. Auf dem Oktoberfest 19 08 standen drei dieser personalaufwendigen Toboggans zum Vergnügen der Zuschauer wie der Rutschenden bereit: Die Turmauffahrt der Kunden mittels Förderband entbehrte nicht der Komik, die sanfte Rutschfahrt machte Spaß. Dem ist noch heute so auf der Wiesn und einmalig in Deutschland. Für die Reise ist dieses Traditionsgeschäft von Astrid und Claus Konrad nicht mehr rentabel.
Standort: Matthias-Pschorr-Straße 59
Velodrom
„Ob Sie zusehen oder mitfahren — Sie lachen sich gesund,“ pries ein Werbeschild den Besuch im „Humoristischen Velodrom“ bereits auf der Wiesn von 1910 an. Auf einer Holzfahrbahn findet ein Radrennen der besonderen Art statt: Auf Schearädern, die Fahrkunst und Geschick des Radlers auf die Probe stellen, gilt es. sich zur Musik einer Konzertnotenorgel und zum Gaudium der Zuschauer fortzubewegen. Von 1901 bis 1962 stand dieses Belustigungsgeschäft regelmäßig auf dem Oktoberfest.
Eduard Pirzer, der seit 18 88 in München eine der ersten Fahrradfabriken betrieb, übergab das Velodrom 1908 an Hermann Kretschmar, dessen Söhne es bis in die 1930er Jahre fortführten. 1 988 wurde das komplette Geschäft mit Fassade, Zeltbau, Wohn- und Packwägen sowie den Fahrrädern durch die Münchner Schausteller-Stiftung für das Münchner Stadtmuseum erworben. Auf der Oidn Wiesn hat die Münchner Schaustellerstiftung ein Velodrom nach alten Mustern neu erstellt.
Standort: Oide Wiesn
Wurfbuden
1818 stellte der Münchner Wirt Anton Gruber zur Belustigung seiner Wiesn-Gäste eine „Taubenscheibe“ auf. Es handelte sich dabei um einen stationären Wurfstand, auch „Taubenwerfen“ genannt, wie er bereits Anfang des 19 . Jahrhunderts auf dem Wiener Prater belegt ist. Auf den Volksfesten gab es das Taubenwerfen bis in die 1 950er Jahre. Um 1880 tauchten in den Beschickerlisten Platten-, Messer-, Ring- und Ballwerfen
auf. Bereits 1910 ist die Ballwurfbude“ Runter mitd em Zylinder“belegt, die seit 19 57 von der Familie Gaukler-Michel betrieben wird.
Mit großer Sorgfalt wird die historische Wurfbude nur noch zum Oktoberfest aufgebaut, sie ist nicht mehr reisefähig. Eine Garnitur der lustigen Holzköpfe mit den schwarzen Zylinderhüten, die es mit dem Lederball herunterzuwerfen gilt, befindet sich bereits in der Schaustellersammlung des Münchner Stadtmuseums. Alte Stamm.kundene rzählen, dass sie als Kinder die Hüte auf die Köpfe setzten durften und sich damit ein kleines Taschengeld verdienten. Auch heute noch lieben vor allem kleine Wiesn- Gäste diese Wurfbude.
Mit dieser Einzigartigkeit trägt das Geschäft und nicht zuletzt die Eigentümerin Annemarie Neumeier mit ihrer Familie zur besonderen Mischung des Oktoberfestes bei. Auch Thomas Hofele und Peter Ludwig lassen in ihrer Wurfbude auf originelleF iguren von 19 20 Bälle werfen.
Standorte: Oide Wiesn