Resumée zur Pressekonferenz der VDMK- Kampagne „100% OFFEN?!“

Fotocredit: Severin Schweiger/Das Kraftbild

Der Titel der Kampagne ist dabei so zu verstehen, dass man nach aktuellem Kenntnisstand noch nicht einordnen kann, ob es sich dabei um eine Aussage oder eine Frage handelt. Es stellt sich die Frage, ob es für alle kulturellen Bereiche ab dem 19. März die Möglichkeit geben wird, ihre Türen wieder für alle zu öffnen und ihre Sitzplätze voll zu machen? Oder wird es wieder Einschränkungen in verschiedenen Bereichen geben?

Wie genau auch die Beschlüsse ausfallen mögen – der VDMK möchte mit dieser Kampagne vorgreifen und Vertrauen bei den Gästen schaffen. Das Konzept regt an, dass in ganz München Kulturbetriebe mit verschiedenen Veranstaltungen im Zeitraum vom 20. März bis 24. April 2022 Türen öffnen und zeigen, dass Kulturorte Orte mit gutem Hygienekonzept sind, Orte gemeinsamer Erfahrung, sinnlichen Genusses und geistigem, sowie offenen Austausches sind.

Auf der PK wurde vor allem Resumée gezogen über die letzten zwei Jahre Corona-Politik aus Sicht der Kulturbranche und mit den anwesenden Podiumsgästen diskutiert.

Alle weiteren Informationen und Veranstaltungen unter: www.100prozentoffen.de

Hier einige Stimmen und O-Töne von Podiumsgästen und Mitgliedern des VDMK e.V.:
• Markus Blume, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst „Kultur ist sicher, tut gut und macht Spaß. Wir möchten das Vertrauen des Publikums wiedergewinnen. Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Wir werden auch diese letzte Etappe gemeinsam gehen und stehen für den Dialog bereit. Mit Schwung und Zuversicht wollen wir den Neustart jetzt angehen. Unsere Corona-Hilfsprogramme und 100 Prozent Auslastung helfen dabei.“
• Katrin Habenschaden, Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München „Der Kultur wurde seit März 2020 viel zugemutet, mehr als anderen Branchen. Als LHM haben wir versucht, die Münchner Kultur am Leben zu halten durch Programme wie den Kultursommer in der Stadt. Das ist zum Glück weitgehend gelungen. Ich freue mich sehr für die Kulturschaffenden in unserer Stadt, die jetzt endlich wieder arbeiten können. Und ich freue mich für die Münchner*innen, die wieder in vollen Zügen Kultur genießen können. Der Wunsch, die kulturelle Vielfalt in München zu erhalten, wird uns kulturpolitisch treiben.“
• Anton Biebl, Kulturreferent der Landeshauptstadt München „Die Menschen brauchen 100% Kultur – zu jeder Zeit. Und sie brauchen Orte, an denen sie ihre Kultur leben und Kunst erleben können. Es ist gut, dass wir diese Zusammenkünfte wieder ohne Einschränkungen in unseren städtischen Kultureinrichtungen ermöglichen können. Nun liegt es in der Verantwortung der Teilnehmenden, selbst zu entscheiden, wieviel Begegnung, Kunst und Lebensfreude sie brauchen. Persönliche Bedürfnisse, pandemische Umstände, aber auch die Situation in der Ukraine und ihre Auswirkungen auf Europa werden diese individuellen Entscheidungen beeinflussen. Wir merken, dass wir weiterhin alle höchstpersönlich gefordert sind, mit Verunsicherungen zurecht zu kommen. Die Sehnsucht nach Gewissheiten ist groß – helfen wird uns jedoch nur Zuversicht.“
• Bahar Auer, Geschäftsführung KulturBunt Neuperlach.: „Große Herausforderungen in der Coronazeit waren für uns wenig Einnahmen, mehr Personalaufwand und mehr Kosten. Das wirklich Gute an Corona war, dass einiges sichtbar wurde:

1. Gesundheitssystem muss überarbeitet werden –
2. Gesundheit darf nichts kosten.
3. Die sozialen Berufe müssen besser honoriert werden
4. Kunst- und Kultur ist essenziell wichtig für die seelische Verfassung der Menschheit und die Gesellschaft.“

• Tilman Dost, Münchner Symphoniker „Kultur ist Begegnung, ist Austausch durch Musik, Kunst, Theater… Corona hat uns dies sehr deutlich gemacht. Positiv gesagt hat uns diese Zeit der Pandemie auch zusammengeschweißt.
Die Münchner Symphoniker spielen normalerweise ca. 100 Konzerte im Jahr. Da wollen wir wieder hin und zwar auch nachhaltig. Kultur ist gesellschaftlich unverzichtbar und darf bei allen Problemen, die wir angehen müssen, nicht ins Hintertreffen geraten.“
• Christian Kiesler, Target Concerts Was waren große Herausforderungen, Probleme, Schwierigkeiten in der Coronazeit? Die größten Herausforderung für uns als Konzertveranstalter war und ist nach wie vor, die mangelnde Planbarkeit, ob durch die Entwicklungen der Pandemie selbst oder aber durch zum Teil schwer zu verstehende und vermittelbare Maßnahmen. Alles passierte immer nur in Zwei-Wochen-Schritten und dies erlaubte uns einfach keine sinnvollen und wirtschaftlichen Planungen. Was ist bei mir der aktuelle Stand? 100 Prozent offen? Gute Frage, wir gehen davon aus, dass wir aktuell mit 75% Auslastung und Masken spielen können. Aber warum das bei Kulturveranstaltungen so ist, in der Gastronomie anders, und in Clubs wieder anders, erschließt sich mir nicht. Ich bin es um ehrlich zu sein auch ziemlich Leid unfertige und unklare Verordnungen zu lesen, ohne entsprechende Handlungsanweisungen, wir sind Konzertveranstalter und keine Juristen! Was sind aktuelle Probleme trotz Wegfall der Maßnahmen aktuell? Es gibt keine Bundeseinheitlichen Regelungen, ohne die ist es für Konzertagenturen nur schwer möglich wirklich wirtschaftlich zu arbeiten. Wir hören ja nicht an der bayerischen Landesgrenze auf mit unserer Arbeit. Ein weiteres rießiges Problem auf das wir gerade alle zusteuern ist der Personalmangel in unserer Branche, wir sitzen alle auf einem Berg an Veranstaltungen die sich über die Jahre aufgetürmt haben, und haben aber leider weder das Personal noch die Infrastruktur um diesen Berg abzuarbeiten. Noch eine Problematik sind extreme Preissteigerungen in allen Gewerken, so dass wir mit unseren zum Teil 4 Jahre alten Kalkulationen die Veranstaltungen gar nicht wirtschaftlich bewerkstelligen können. Welche Probleme müssen langfristig nach Corona angegangen werden? Wir müssen als Kulturschaffende das Vertrauen des Publikum zurück zu gewinnen, hier ist besonders durch die Politik und z.B. die ein oder andere unbedachte Aussage der bayerischen Regierung großer Schaden entstanden. Was ist Gutes/Positives durch Corona entstanden? Wir haben gute Netzwerke aufgebaut, die uns hoffentlich über die nächsten Jahre weiter helfen werden. Es kommen große Herausforderungen auf alle Kulturschaffenden zu.

• Dr. Nepomuk Schessl, MünchenMusik
„Die letzten zwei Jahre der Pandemie haben der Kultur schmerzlich vor Augen geführt, welchen geringen Stellenwert sie in der Politik auf Landesebene einnimmt. Wider anderslautender wissenschaftlicher Erkenntnisse, war es immer wieder die Kultur, welche die schärfsten – mitunter nicht nachvollziehbaren und wohl kaum verhältnismäßigen – Einschränkungen zu ertragen hatte, gerade im Vergleich zu anderen Bereichen des öffentlichen Lebens. Das jüngste Beispiel findet sich in der am 19. März außer Kraft tretenden 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, die ein Starkbierfest gestattet, während der Pausensekt, bei 75% Belegung, in der Isarphilharmonie untersagt wird. Gegen einige weitere Maßnahmen aus vorangegangenen Verordnungen sind wir als MünchenMusik auch juristisch vorgegangen – der Ausgang dieser Verfahren ist noch anhängig. Positiv ist zu bemerken, dass vor allem Programme des Bundes, insbesondere der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen, im vergangenen Winter die „letzte Lebensader“ für den Kulturbetrieb darstellten. Dem Publikum wurde nun über zwei Jahre suggeriert, dass kulturelle Veranstaltungen ein Pandemietreiber und somit nicht sicher seien, was nachweisbar unzutreffend ist. Für den kommenden Herbst und Winter ist die Kultur darauf angewiesen, dass die Landespolitik mehr Umsicht und Objektivität walten lässt, so denn erneute Einschränkungen notwendig werden sollten.“

• Marion Schöne – Geschäftsführung, Olympiapark München GmbH
„Zwei Jahre im Krisenmodus sind eine lange Zeit. Die größten Herausforderungen sind nach wie vor die Planungsunsicherheit, die ständig wechselnden und nicht immer logisch nachvollziehbaren Restriktionen. In dieser Situation die Motivation des Teams aufrecht zu erhalten, das sich monatelang in Kurzarbeit befand, ist ebenfalls ein Kunststück. Besonders schwierig für das Live-Entertainment ist die Tatsache, dass Rock- und Popkultur wohl noch eher als verzichtbar angesehen wird, als die sogenannte Hochkultur. Darüber hinaus machten die geltenden Kapazitätsgrenzen bei vielen Veranstaltungen keine wirtschaftliche Durchführung möglich. Aktuell stehen wir in der Veranstaltungsbranche vor dem Problem des Personalmangels insbesondere im Sicherheitsbereich, aber auch in der Gastronomie.
Eine bessere Wahrnehmung der Veranstaltungsbranche, deren gesellschaftliche Bedeutung für jüngere Zielgruppen und die Wirtschaftskraft durch die Politik anzuerkennen, wären ein Fortschritt. Krisen legen auch immer den Finger in die Wunde und zeigen auf, wo man sich besser oder neu aufstellen muss. So haben wir durch die Pandemie einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht und waren gezwungen, uns mit neuen digitalen wie hybriden Veranstaltungsformaten auseinanderzusetzen. Auch wenn diese vielleicht in Zukunft eine größere Rolle spielen werden, so bin ich der Überzeugung, dass ein gemeinsames Konzerterlebnis in einer unserer Kulturstätten in München nicht zu ersetzen ist.“

• Niko Strnad, BANG BANG! CONCERTS
1. Probleme in der Krise
„Die Corona-Krise hat der Veranstaltungsbranche so zugesetzt wie kaum einer anderen. So abgedroschen dieser Satz mittlerweile ist, so aktuell ist er auch, da die Branche noch sehr lange nicht nur unter dem Imageverslust, sondern vor allem unter den wirtschaftlichen Konsequenzen leiden wird. Die Branchenvertreterinnen und -vertreter wurden lange von der Politik nicht gehört bzw. ernst genommen, was die Grundlage für eine konstruktive Vertrauensbasis gewesen wäre.
2. Das Gute in der Krise
In der Krise sind die einzelnen Vertreterinnen und Vertreter und auch Berufsgruppen innerhalb der Unterhaltungsbranche wesentlich zusammengerückt, haben sich auch ein Stück weit besser kennengelernt und mehr Verständnis für die jeweiligen Aufgabenfelder entwickelt. Dieses Verständnis könnte sich zu einem Selbstverständnis entwickeln, das auch über Corona hinaus die Branche stärken würde.
3. Was sind aktuelle Probleme?
Aktuelle Probleme sind vor allem die nebligen Perspektiven. Da die Branche nicht nur mit dem großen Vertrauensverlust der Besucherinnen und Besucher in Menschenansammlungen zu kämpfen hat sondern auch mit anderen wirtschaftlichen Aspekten wie der starken Erhöhung von Personalkosten und Mieten, braucht es eine garantierte finanzielle Unterstützung weit über das Ende der Beschränkungen hinaus. Für die Münchner Musikerinnen und Musiker ist es aktuell sehr schwierig Auftritte überhaupt zu planen, nicht nur aufgrund der erhöhten Mietpreise sondern auch, da kleinere Auftrittsorte weggefallen sind und sich dieser Trend vermutlich noch fortsetzen wird.
Das Geschäft ist sehr kurzfristig geworden, was die Planung von internationalen Tourneen fast unmöglich macht, aber auch für Nachwuchsbands bedeutet, dass ein oft aus eigener Tasche finanzierter Release wieder und wieder verschoben werden muss, ohne dass die entstandenen Kosten ersetzt werden. Oft ist die Motivation zur Bandneugründung aktuell gleich null.
4. Baustellen nach Corona: Es muss nach Corona eine Kampagne geben, die den schwarzen Peter von der gesamten Kultur und von der Livemusikbranche im Speziellen nimmt und das Erleben von Konzerten wieder als das propagiert, was es tatsächlich ist – ein alltäglichen Genuss!“

• Christian Waggershauser, Geschäftsführer Muffathalle Betriebs GmbH
1. Was waren große Herausforderungen, Probleme, Schwierigkeiten in der Coronazeit?
„Die permanente Planungsunsicherheit, über ein halbes Jahr hing die Insolvenz über uns, später sie Perspektivlosigkeit“
2. Was ist bei mir der aktuelle Stand? 100 Prozent offen? „Nein, weil einige Veranstaltungen abgesagt oder erneut verschoben wurden“.
3. Was sind aktuelle Probleme trotz Wegfall der Maßnahmen aktuell? „Die Personalsituation ist dramatisch und wird vermutlich noch zu manch bösen Überraschungen führen!“
4. Welche Probleme müssen langfristig nach Corona angegangen werden? „Wieder ein stabiles Personaltableau zu haben, und dass kleinere und spannende Veranstaltungen nicht durch den dramatischen Kostenanstieg (Personal, Gema, Strom etc) ausfallen und dadurch die kulturelle Vielfalt dauerhaft eingeschränkt wird!“
5. Was ist Gutes/Positives durch Corona entstanden? „Der Verband (wie die gesamte Branche) ist zusammengestanden und über sich hinaus gewachsen- dank an den Vorstand und alle Aktiven!“