Oktoberfest-Jubilare 2014

PT-WJ25 (78)“Die Wiesn ist ein anderes Bauchgefühl” Sika Agtsch: 25 Jahre Pfeilwerfen
Vor 25 Jahren stand Sika Agtsch mit ihrer Pfeilwurfbude “auf dem exakt gleichen Platz wie auf der diesjährigen Wiesn”, sagt sie voller Stolz.

 

Nervös ist sie jedes Jahr vor der Wiesn. “Das Herz hüpft einen extra
Hüpfer, wenn man den Vertrag in Händen hält”,so die Schaustellerin mit
Leib und Seele. Für sie ist die Wiesn der wichtigste Festplatz im Jahr und
immer wieder ein Ereignis. Zusammen mit ihrem Mann Mario, der aus
einer großen alteingesessenen Schaustellerfamilie stammt, und einem
ihrer Söhne betreibt Sika Agtsch eine Spielbude. Im Sommer ist sie damit
auf Volksfesten vor allem in Bayern unterwegs. Im Winter verkauft sie
Socken und Schafwolle auf Weihnachtsmärkten. Auf die Frage, ob sie sich
etwas anderes beruflich vorstellen könnte, kommt ein spontanes und
überzeugendes Nein. “Ich bin in die Schaustellerei rein geboren und werde
alt darin”. Seit 1987 ist sie selbstständig und sieht ihren Beruf als
Berufung. Genau wie so viele in ihrer Verwandtschaft und Familie. Ihre
drei Söhne sind ebenso im Schaustellergewerbe tätig. “Die Wiesn ist ein
anderes Bauchgefühl”, sagt sie. Auf der Wiesn ist sie mit ganzem Herzen
dabei: “I bin einfach gern da”.

 

“Wie Weihnachten und Geburtstag zusammen”
Michael Courtney: 25 Jahre “Feuer und Eis”
Von der Wiesn kaum wegzudenken ist das Fahrgeschäft “Feuer und Eis”.
das Michael Courtney seit 1990 auf der Wiesn betreibt. Seine Tante stand
schon seit 1976 mit diesem Geschäft auf dem Oktoberfest, das damals
noch “Blauer Enzian” hieß und von der Firma Mack entwickelt wurde
Typisch ist die achterbahnähnliche Schienenführung, allerdings ohne
Berge und Täler. 1995 ließ es Courtney umbauen und gab ihm den Namen
Feuer und Eis”. Als er 1990 seine erste eigene Zulassung erhielt war es
wie Weihnachten und Geburtstag zusammen”, sagt der Münchner,
dessen Familie gar keine lange Schaustellertradition aufweist. Nur seine
Tante und sein Großvater waren Schausteller. Doch ihm liegt es
anscheinend im Blut gelegen, wie er selbst hinzufügt. Im Sommer
beschickt er mit dem “Feuer und Eis” verschiedene Volksfeste im
bayerischen Raum. Im Winter betreibt er zusammen mit seiner Tochter
Mara einen Stand mit “Hirtentrunk” auf dem Münchner Christkindlmarkt.

“Stolz, ein winziger Teil der Wiesn zu sein”
Josef und Birgit Rohrer: 25 Jahre Souvenirs und Andenken
Bis 1990 waren Josef und Birgit Rohrer “ganz normale Arbeitnehmer”, wie
der Kaufmann selbst sagt. Beide haben eine kaufmännische Ausbildung
gemacht und in ihren Berufen gearbeitet. Doch Josef Rohwert räumte
schon immer davon, selbstständig zu sein. “Der Handel hat uns verfolgt”,
witzelt er. Seine Tante hatte einen Andenkenstand auf der Wiesn und
Rohrer arbeitete dort einige Jahre mit. Handel war schon immer seine
Leidenschaft und so bewarb sich Rohrer viele Jahre lang für einen eigenen
Andenkenstand auf der Wiesn. Am 28. Mai 1990 war es dann soweit: “Ich
weiß es wie gestern, es war ein heißer Tag, einfach unfassbar”, erzählt der
passionierte Rennradfahrer fast gerührt von dem Tag, als er seine erste
eigene Wiesn-Zulassung per Post bekam. Der Stand, den er von seiner
Tante übernahm, steht heute immer noch fast am gleichen Platz in der
Straße 1, gleich neben der Fischer-Vroni. Mittlerweile hat die Familie
Rohrer viele Stammkunden aus der ganzen Welt, insbesondere aus
Amerika. Josef Rohrer ist sogar Mitglied im “Wiesnverein Chicago” und
bekommt jedes Jahr ein mit seinem Namen besticktes Baseballcap, wenn
die Vereinsmitglieder an seinen Stand kommen, um Souvenirs zu
erstehen. “Ich bin sehr stolz, ein winziger Teil dieser Veranstaltung zu sein.
Es ist was ganz besonderes. als gebürtiger Münchner ein Standl auf der
Wiesn betreiben zu dürfen.”

Glück gehört dazu
Familie Inselkammer: 25 Jahre im Armbrustschützenzelt
Der Münchner Hotelier und Wirt Peter Inselkammer hatte den Traum.
Festwirt eines großen Zeltes auf dem Oktoberfest zu werden. Er bewarb
sich darum Jahr um Jahr. Zunächst erhielt er den Zuschlag für ein kleines
Gastronomiezelt mit 80 Plätzen, den “Platzt Wirt” in der Wirtsbudenstraße
Nach weiteren fünf Jahre spielte ihm das Schicksal ein Festzelt in die
Hände: Ein Wirtewechsel im Armbrustschützenzelt, brachte den Aufstieg
für die Inselkammers in den Wirteolymp. Die Armbrustschützengilde, die
das Wiesn-Zelt verpachtet, schlug die erfahrenen Wirtsleute Inselkammer
dem Stadtrat als neue Wirte vor. Am 21 . Juni 1990 fand Josepha “Peppi
Inselkammer während eines ltalienurlaubs auf einer Wiese südlich von
Siena ein vierblättriges Kleeblatt. Das Ehepaar Inselkammer sah dies als
gutes Omen an, sollte doch an diesem Tag im Münchner Rathaus darüber
entschieden werden, wer künftig Wiesn-Wirt des Armbrustschützenzeltes
sein darf. Tatsächlich bekam Peter Inselkammer den Zuschlag und erfüllte
sich damite inen Lebenstraum. Das Kleeblatt wurde zum Talisman der
Familie.
Sohn Peter begann auf der Wiesn als Schankkellner, machte eine
Ausbildung zum Hotelkaufmann und studierte Betriebswirtschaft. Seit 1997
führen Peter Inselkammerjun. und dessen Frau Katharina zusammen mit
den Eltern das Armbrustschützenzelt.
Die Bierburg mit über 7.000 Plätzen steht für Tradition und hat die
Schützen zu Gast. Seit 19 35 werden hier die deutschen
Armbrustschützen-Meisterschaften ausgetragen. Goaßlschnalzer und
Schuhplattler treten auf, denn, so Juniorwirt Peter Inselkammer: “Bei uns
darf das bayerische Brauchtum nicht zu kurz kommen!”

Wie Phonix aus der Asche
Hanns Werner Glöckle und Stephanie Rollwagen:
25 Jahre “Glöckle Wirt”
Mit einem Tausch begann 19 90 die Erfolgsgeschichte des “Glöckle Werts’
auf dem Oktoberfest. Peter Franz Inselkammer wurde neuer Wirt bei den
Armbrustschützen und der Münchner Gastronom Hanns Werner Glöckle
übernahm von den Inselkammers den Mittelbetrieb “Platzl-Wirt” als
“Glöckle Wirt” in der Wirtsbudenstraße.
Glöckle, ein passionierter Flohmarktgänger, stattete das kleine Zelt
liebevoll mit den Schätzen seiner Antiquitätensammlung aus: Alte
Schubkarren, Waschtröge, Blasinstrumenteu nd Bildert rugen zur urigen
Gemütlichkeit der Wirtsstube bei. Herzstück des Inventars war eine
Sammlung von 50 Kuhglocken unterschiedlicher Größe und Herkunft,
passend zum Namen des Festzelts. Das besondere Ambiente der
Ausstattung, die überschaubare Größe der Wirtsstube und nicht zuletzt die
bayerische Schmankerlküche ließen den “Glöckle Wirt” schon bald zur
Anlaufstelle für all diejenigen werden, die in anheimelnder Atmosphäre
feiern wollten.
Am 4. Oktober 2002 dann die Katastrophe: Der “Glöckle Wirt” brennt! Ein
defekter Konvektomat verursachte den Großbrand, von der Kuhglockensammlung
blieb eine einzige Glocke heil, alles andere brannte total ab.
Noch in der Nacht wurde das verkohlte Skelett des Zeltes abgetragen und
der Biergarten der Schottenhamel-Festhalle erweitert. Für die Familie
Glöckle – Festwirt Hanns Werner, Sohn Michael, der Koch, und Tochter
Stephanie im Service – ging die Wiesn in jenem Jahr früher zu Ende. 2003
erstand jedoch der Glöckle Wirt in neuem Glanz: luftiger, höher und mit
einem rundumlaufenden Balkon, von wo aus sich die ganze
Wirtsbudenstraße überblicken lässt. Der neue Glöckle Wirt wurde mit
neuem alten Dekor auf “guat boarisch” gestylt: Schnupftabakfläschchen,
Jagdhörner und Wolpertinger. Nach einem Aufruf nach “altem Glump und
Zeug” in seinen Stammbetrieben, dem “Forsthaus Wörnbrunn” und dem
“Hotel am Viktualienmarkt”, bekam Glöckle so viele Flohmarktartikel, dass
er damit jetzt noch mindestens zwei Zelte ausstaffieren könnte. Im neuen
Zelt sind die Stammgäste auch wieder da und mit 50 Prozent Frauenanteil
bei den Gästen ist die Stimmung im “Glöckle Wirt” sehr kommod.
Hanns Werner Glöckle ist Sprecher der “Kleinen Wiesn-Wirte”,einer
Vereinigung der 20 gastronomischen Mittelbetriebe der Wiesn, die er vor
zehn Jahren gegründet hat. 2012 übernahm Tochter Stephanie Rollwagen
den Mittelbetrieb. Doch Hanns Werner Glöckle, mit kunstvoll gezwirbeltem
Schnurrbart und König-Ludwig-Frisur, wacht immer noch über das
Geschäft. Sein Erfolgsrezept lautet: “Zwei Wirte-Generationen, des is
perfekt, denn das Publikum ist immer so alt wie der Wirt”.

“Schön ist so ein Ringelspiel”
75 Jahre Krinoline Blasmusik mit Tenorhornist Siegfried Kaiser
Auf dem Oktoberfest begeisterte die Krinoline 1925 erstmalig das
Publikum und war in den Folgejahren die Attraktion unter den
Fahrgeschäften. Als Zugspitzbahnen als Neuheit zur gefährlichen
Konkurrenz wurden, hatte im Jahr 1 939 der Krinoline-Besitzer Michael
Großmann eine Idee mit Zukunft. Er engagierte eine Blaskapelle, die die
Karussellfahrt mit Stimmungsmusik begleitete. Diese Tradition wird bis
heute zur Freude aller Krinoline-Fans vom Urenkel Matthias Niederländer
weitergeführt. Täglich spielt ab 14 Uhr die Musik live auf dem kleinen
Podium und zieht das Publikum an. Stammkapelle ist die “Krinoline
Blasmusik”, die oldies but goodies von bayerischer Volksmusik bis zur
“Rose vom Wörthersee” intoniert. Siegfried Kaiser (73) bläst seit 25 Jahren
bei der Krinoline Blasmusik das Tenorhorn. Der ehemalige
Werkstättenarbeiter bei der Bundesbahn war Mitglied des
Bundesbahnorchesters, aus dem schon viele Musiker der Krinoline
Blasmusik rekrutiert wurden. Der Münchner liebt es, auf dem
traditionsreichen Karussell zu spielen, besonders bei schönem Wetter
wenn das Publikum bei guter Laune ist. “Musik ist ein schönes Hobby”, so
Kaiser, seit 2010 Chef der Kapelle. Er teilt seine 20 Musiker für die
Auftritt ein. Täglich wechseln sich zwei Gruppen von je fünf Bläsern in der
Besetzung 1. Flügelhorn, 2. Flügelhorn, Tenorhorn, Basstrompete und
Tuba ab. Denn viereinhalb Stunden ununterbrochen zu spielen kostet Kraft
und Energie. Zum Stammrepertoire gehören “Schön ist so ein Ringelspiel”
und “La Paloma”, das die Krinoline Blasmusik auf der Wiesn schon
gemeinsam mit einer Mariachi-Gruppe gespielt hat: Die Bayern trugen
dabei die Sombreros, die Mexikaner die Trachtenhüte. Seitdem Krinoline-
Chef Matthias Niederländer denken kann, erklingt zum täglichen
Zapfenstreich “Lili Marlen”, und entlässt die Fahrgäste melancholisch in die
Nacht. Niederländer ist stolz auf seine Blasmusik, die bereits zwei CDs
herausgebracht hat. Seit Mitte der 1990er Jahre dreht sich die Krinoline
jeden Dienstag zu Jazz-, Swing- und vogelwilder Volkmusik. Mit dem
Engagement von Gastkapellen geht Matthias Niederländer mit der Zeit –
wie schon sein Urgroßvater.