Ohne das Lichtlabor wäre es bei der Deutschen Bahn zappenduster. Josef Stieger steht sinnbildlich am Lichtschalter. Denn wer bei der DB Lampen für Signale an Strecken und Zügen oder Leuchten für Bahnsteige, Gleisfelder und Fahrgasträume nutzen will, schickt sie zu dem Prüfingenieur von DB Netz nach München.Akribisch untersucht Stieger Eigenschaften und Qualität. Am Ende fällt er sein Urteil in einem Prüfbericht. Das Produkt eignet sich für die DB. Oder eben nicht. Die Glühlampe, die Stieger vorsichtig aus der Verpackung holt, hat dieses Urteil noch vor sich. Der Ingenieur steht in einem Raum voller Messtechnik. Vor ihm eine hohle Kugel, anderthalb Meter im Durchmesser, innen weiß beschichtet, in deren Mitte eine Fassung hängt. Stieger: „In der Ulbricht-Kugel messen wir den Lichtstrom der Lampe, also ihr gesamtes Licht.“ Es handelt sich nicht um eine haushaltsübliche Glühbirne, sondern um eine Signalglühlampe. Stieger zeigt auf den zweiten Draht neben der Glühwendel. „Sollte ein Glühfaden durchbrennen, springt der zweite ein, das Signal funktioniert weiter. Auf der Strecke kann das lebenswichtig sein“, sagt er.
Der Ingenieur der Elektrotechnik weiß aus Erfahrung, dass es vor allem auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit im Bahnbetrieb ankommt. Seit 27 Jahren ist Stieger für die Bahn tätig: Er hat sich um Energieanlagen gekümmert, in den 90er-Jahren in der Fachgruppe Lichttechnik gearbeitet und dann zehn Jahre an ICE-Stromabnehmern getüftelt. Seit vier Jahren leitet Stieger das Lichtlabor von DB Netz.
Dort schraubt er die Glühlampe in die Fassung der Ulbricht-Kugel und verschließt den Hohlkörper. Dieser Klassiker der technischen Optik ist nach dem Ingenieur Richard Ulbricht benannt, der ihn Ende des 19. Jahrhunderts erfand. Stieger: „Die Wände des Hohlkörpers reflektieren das Licht des Prüflings unzählige Male. Es entsteht ein diffuses Lichtfeld, dessen Intensität ich messe.“ Prüft er Leuchtdioden, die etwa in modernen Streckensignalen zum Einsatz kommen, misst ein Spektralradiometer Lichtstrom, Farbtemperatur und -ort sowie Wellenlängen.
Am Rechner verdeutlicht Stieger die Unterschiede zwischen Glühlampen, die die DB im Gegensatz zu Haushalten weiter nutzen darf, und modernen, energiesparenden Leuchtdioden. Glühlampen leuchten weiß. Leuchtdioden können alle Farben wiedergeben, abhängig vom Material. Es wäre fatal, wenn beispielsweise rotes, grünes oder gelbes Licht fehlt. Von jeder neuen Lampen- oder Diodenserie werden Prototypen im Lichtlabor geprüft und anschließend für die Massenproduktion freigegeben.
Außer Glühlampen und LED testen Stieger und Kollege Peter Jürgens Bahnsteig- und Fahrzeuganzeiger, Bedienfelder für Führerräume, Lichtsignale, Signaltafeln und Frontscheiben. Weitere Aufträge kommen von der Industrie. Dann prüfen sie, ob deren Produkte die Anforderungen der DB erfüllen. Heute steht noch eine neue Lokleuchte auf dem Prüfplan. Dazu fährt der Ingenieur mit dem Fahrstuhl unters Dach des mehrstöckigen Gebäudes, in dem auch DB Systemtechnik untergebracht ist. Nur hier oben ist genügend Platz für einen ganz besonderen Laborraum: 45 Meter lang ist die fensterlose Messstrecke mit dem Goniofotometer.
Auf einem Drehtisch neben der Tür hat Stieger die Lokleuchte befestigt. Sie kombiniert drei Leuchtdioden: für weißes Signalspitzen-, rotes Schluss- und weißes Fernlicht. Kaum drückt er aufs Knöpfchen, erstrahlt die Lokleuchte und der Computer startet das Programm. Der Drehtisch kippt gemächlich nach rechts, links, hinten und vorn, stets in festgelegten Winkeln. 25 Meter entfernt hängt auf Augenhöhe der Sensor eines Fotometers von der Decke. Er registriert, in welcher Kippstellung wie viel Licht zu erkennen ist. Software errechnet den Rest. „Das Licht muss sich so im Raum verteilen, dass der Lokführer ein angestrahltes Signal immer sicher sieht“, beschreibt Stieger die Anforderungen. Der Test ist abgeschlossen.
Vom Dachgeschoss nimmt Stieger die Treppe in den Keller. Auch hier ist es stockfinster: Die Wände sind schwarz, kein Tageslicht verfälscht die Ergebnisse. Stieger knipst das Licht an. Er will Frontscheiben untersuchen. „Das sind Scheibenpakete mit hauchdünnen Folien dazwischen. Zusammensetzung, Stärke und Krümmung beeinflussen die Sicht,“ erklärt er. Stieger schaltet rote, gelbe und grüne Signale an und rollt die Frontscheibe zwischen die Signale und das Messgerät. Das ermittelt, ob die Farben der Norm entsprechen. Auch die Frontscheiben des ICE 3 hat das Lichtlabor auf diese Weise geprüft. Und für gut befunden.
Quelle: Deutsche Bahn AG