JUBILÄUMSAUSSTELLUNG 100 Jahre Bergwacht 30.08. – 27.09.2020 Alpines Museum des Deutschen Alpenvereins

JUBILÄUMSAUSSTELLUNG 100 Jahre Bergwacht 30.08. – 27.09.2020 Alpines Museum des Deutschen Alpenvereins

100 Jahre Bergwacht Bayern |1920 -2020| Ein historischer Abriss
Ihren Ursprung findet die Bergwacht Bayern nicht, wie weithin angenommen, in der professionellen Bergrettung. Vielmehr stehen zu Anfang der Schutz der heimischen Berglandschaft und der Bergsteigerkultur im Mittelpunkt.
Grund: Mit Zunahme des alpinen Tourismus in den frühen 10er und 20er Jahren wächst auch die Zerstörung der alpinen Tier- und Pflanzenwelt. Die Gründung der Bergwacht Bayern geht daher auf eine Initiative von Alpenvereinssektionen und Wander-/Bergsportvereinen zurück, die zu jener Zeit einen wahren Boom erleben und die Bedrohung der Alpenlandschaft und der Wertekultur erkennen. Am 14. Juni 1920 wird die Bergwacht Bayern als eine Art „Natur- und Sittenwacht“ ins Leben gerufen. Die Unterzeichnung der Gründungsurkunde erfolgt im Hofbräuhaus München. Als erste Bergwacht-Bereitschaften gelten München, Wolfratshausen, Bad Tölz und Mittenwald. Der Weg hin zu einer Bergrettungsorganisation wird jedoch schon früher bereitet.

Bereits 1898 wird in München der „Alpine Rettungsausschuss“ gegründet. Er gilt als Startpunkt der organisierten Bergrettung in den Bayerischen Alpen. 1899 entstehen erste Rettungsstationen in Füssen, Garmisch, Weilheim, Mittenwald, Fall, Bad Tölz und Miesbach. 1904 werden unter dem Dach des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins vom Allgäu bis nach Berchtesgaden formale Alpine Rettungsstellen eingerichtet.

In den Jahren nach der formellen Gründung der Bergwacht Bayern 1920 wachsen die Alpenvereinsinitiativen des alpinen Naturschutzes und der Bergrettung mehr und mehr zusammen. So ist es nicht verwunderlich, dass zu Anfang auch die neugegründete Bergwacht Teil des Deutschen Alpenvereins ist. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird, auf Befehl der amerikanischen Besatzungsmacht in Bayern, die Bergwacht in das Bayerische Rote Kreuz (BRK) integriert, in der sie auch heute noch als Sondereinheit fest verankert ist.

Im Laufe der Jahrzehnte beweist sich die Bergwacht Bayern in vielen, teils aufwändigen Rettungseinsätzen. 1957 gelingt die erste Lebendrettung aus der Eiger Nordwand (Schweiz) unter Initiative der Bergwacht Bayern mit dem Münchener Bergrettungspionier Ludwig „Wiggerl“ Gramminger an der Spitze. Erst nach sechs Tagen rettet ein internationales Expertenteam den einzigen Überlebenden einer Vierer-Seilschaft, den Italiener Claudio Corti, aus der vereisten Nordwand. Zur Bergung muss unter anderem ein 500m langes Stahlseil auf den Eiger-Gipfel getragen werden. 1965 kommt es auf dem Zugspitzblatt zu einem verheerenden Lawinenabgang. Bis zu 800 Retter aus ganz Bayern sind unter Führung der Bergwacht fünf Tage im Einsatz um verschüttete Skifahrer und Hotelgäste zu bergen. An Pfingsten 2014 wird ein erfahrener Höhlenforscher in der Riesending-Schachthöhle am Berchtesgadener Untersberg in knapp 1000 Meter Tiefe von einem Stein getroffen und erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma.

Die bis heute aufwändigste Höhlenrettungsaktion läuft an. 202 Retterinnen und Retter aus Deutschland, Österreich, Italien, Kroatien sowie der Schweiz befinden sich zum Einsatz in der Höhle. Insgesamt kommen über 700 Helfer zum Einsatz. Über eine Tonne Material, darunter knapp 20 Akkubohrmaschinen, mehrere tausend Karabiner und gut zehn Kilometer Seil werden benötigt um den Verunglückten nach elf Tagen lebend an die Oberfläche zu bringen. Das Unglück hat der Verletzte gut überstanden.

Die Bergwacht Bayern wird in ihrem Kern durch die ehrenamtliche Arbeit ihrer Mitglieder und Einsatzkräfte getragen. Die Schwerpunkte und Spezialisierungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte dabei stark gewandelt. Neben stetigen Klimaveränderungen erhöht vor allem die Vielfalt alpiner Sportmöglichkeiten, die immer mehr Menschen in die Berge lockt, die Zahl als auch die Komplexität der Rettungseinsätze.

Die Einsatzzahlen des Jahres 2018 belegen dies: 8.516 Mal muss die Bergwacht Bayern ausrücken – fast 300 Mal mehr als im Vorjahr.

Für besondere Einsätze stehen der Bergwacht heute spezielle Sondereinheiten zur Verfügung: die Lawinen- und Suchhundestaffel, die Canyoningrettung, die Höhlenrettung, das LKLD („Technikgruppe“ Lokalisation, Kommunikation, Lagebeschreibung und Dokumentation) und der Kriseninterventionsdienst. Zudem steht der Bergwacht Bayern seit 2008 in Bad Tölz eine weltweit einzigartige Trainingshalle für Luft-, Höhlen- und Wasserrettungseinsätze zur Verfügung.

Neben der Bergwacht wird sie auch von zahlreichen nationalen und internationalen Spezialeinheiten, unter anderem von Feuerwehr, Polizei, Wasserrettung, THW und Militär für Ausbildungs- und Trainingszwecke genutzt.