Frauenquote für Par­la­ment und Staats­re­gierung? Ge­setz­ent­wurf der Grünen im Bayerischen Land­tag: »Hälfte-der-Macht-Ge­setz«

Pressekonferenz am 4. Februar 2019 mit Rechtsanwältin Christa Weigl-Schneider (vom Aktionsbündnis «Parité in den Parlamenten«), Katharina Schulze, MdL, Eva Lettenbauer, MdL, und Pressesprecher Holger Laschka


Die Hälfte unserer Gesellschaft ist weiblich. Dennoch sind Frauen in Deutschland in Wirtschaft, Verwaltung und Politik nur zu einem weit geringeren Teil vertreten. Die Grünen im Bayerischen Landtag wollen dies Problem mit einem Gesetzentwurf angehen, der die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen im Wahlrecht zum Ziel hat. Durch Änderungen der Bayerischen Verfassung soll künftig eine Frauenquote von (mindestens) 50 Prozent sowohl für die Staatsregierung als auch für den Landtag zwingend vorgegeben werden. Änderungen im Wahlrecht sollen dazu führen, dass in den Wahlkreisen mindestens zur Hälfte Frauen und diverse Menschen zur Wahl stehen.

“Hälfte-der-Macht-Gesetz”

Ein „Hälfte-der-Macht-Gesetz“ für den Freistaat Bayern soll es sein. Als Ziel schwebt den Grünen vor, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder des Bayerischen Landtags weiblich (oder divers) sein soll. Dies soll so auch für die Mitglieder der Staatsregierung gelten, hier allerdings soll die Quote nicht nur ein Grundsatz sein, sondern verpflichtend: „Mindestens die Hälfte der Mitglieder der Staatsregierung müssen weiblich oder divers sein“, so heißt es dann auch in dem Gesetzentwurf, mit dem die Landtags-Grünen den Artikel 43 der Bayerischen Verfassung ergänzen wollen.
Divers, das sind in diesem Zusammenhang, Personen des Dritten Geschlechts und solche mit nicht-binärer Geschlechtsidentität.

Katharina Schulze

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag: „Wir sehen ja, das formal gleiche Recht von Frauen, an Wahlen teilzunehmen, reicht nicht aus, um ihre gleichberechtigte Präsenz in der Politik sicher­zustellen. Und das wollen wir ändern! Wir möchten, das es gleichberechtigte Teil­habe an der politischen Macht von Frauen gibt.“

Derzeit seien im Bayerischen Landtag gerade 26,8% Frauen im Landtag, von den 91 Direkt-Mandaten, seien nur 19 an Frauen gegangen, mithin 20,8%.

In der Bayerischen Staatsregierung sind von 18 Kabinettsmitgliedern sechs Frauen, also genau ein Drittel. Mit ihren Vorschlägen im “Hälfte-der-Macht-Gesetz” wollen die Grünen das ändern und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der bayerischen Landespolitik fördern – und vor allem institutionell absichern. „Ich glaube, das ist zentral und wichtig“, betont Katharina Schulze. „Freiwiligkeit und Selbstverpflichtung der Parteien reichen nicht nur nicht, wir brauchen klare Regelungen.“
Gleichstellungsregelungen, die es parteiintern in der SPD und bei den Grünen längst gebe: „Wenn wir Grüne und beispielsweise die SPD das nicht hätten, wäre der Frauenanteil im Bayerischen Landtag noch geringer!

Katarina Schulz verweist auf politikwissenschaftliche Studien, die zeigten, das Frauen und Männer durch ihre unterschiedliche Sozialisation unterschiedliche Erfahrungen machen und infolge dessen auch unterschiedliche Blickwinkel und Prioritäten entwickeln. Diese Unterschiede würden sich auch in der politischen Arbeit niederschlagen. Es müsse doch klar sein, so Katharina Schulze, dass diese unterschiedlichen Blickwinkel auch gleichberechtigt im Parlament vertreten sein müssen.

Aus dem Pressematerial der Grünen:

Abwechselnd besetzte Listen und Stimmkreis-Duos

Der Gesetzentwurf orientiert sich an Regelungen, wie sie in Frankreich oder neuerdings auch im Bundesland Brandenburg gelten und verfolgt vier zentrale Ansätze:

  1. Parteien, die zur Landtagswahl in Bayern antreten, stellen ihre Wahlkreislisten so auf, dass mindestens die ungeraden Listenplätze an Bewerberinnen gehen, die weiblich oder Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ sind (Vorbild ist hier das so genannte „Reißverschlussprinzip“). So soll sichergestellt werden, dass über die Wahlkreislisten ein höherer Anteil Frauen in den Landtag gewählt wird.
  2. Die Zahl der Stimmkreise wird halbiert, sodass in den dann deutlich größeren Stimmkreisen je ein Stimmkreis-Duo direkt in den Landtag gewählt wird.
    Dieses Duo mus aus einer weiblichen oder diversen Person und einer männlichen oder diversen Person bestehen. So soll die Zahl der Direktmandate für Frauen angehoben werden.
  3. In der Bayerischen Verfassung wird festgelegt, dass die Hälfte der Mitglieder der Staatsregierung weiblich oder divers sein müssen.
  4. Um dem Dritten Geschlecht und nicht-binären Personen Rechnung zu tragen, werden stets auch Personen, die sich als divers identifizieren, explizit genannt und für alle Kandidaturen zugelassen.

 

Die bayerische SPD ist bei diesem Thema nicht weit von den Grünen entfernt. Sie hat einen eigenen Gesetzentwurf mit der gleichen Zielsetzung erstellt. Dort geht es um die Quotierung der Stimmkreislisten mit abwechselnder Besetzung von Männern und Frauen. Den Gesetzentwurf der Grünen hält man dort für verfassungsrechtlich „unausgegoren“. Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt, es ist ja bereits nicht ganz nachvollziehbar, dass nach dem Vorschlag der Grünen der Anteil von Frauen „mindestens“ 50 Prozent betragen soll. Also: gerne mehr. Umgekehrt hieße das aber, dass das männliche Geschlecht dann eben nur mit höchstes 50 Prozent vertreten sein dürfte. Oder weniger. Es ist wohl so nicht gemeint, aber mindestens missverständlich ausgedrückt.

Eine Übermacht der Frauen und Diversen in Bayerns Parlament und Staatsregierung ist ohnehin nicht zu befürchten – wenn man sich denn überhaupt davor fürchten müsste (… wohl eher nicht) -, aber wenn diese Formulierung ernst gemeint wäre, dann ist der Gesetzentwurf der Grünen ein „Mindestens-die-Häfte-der-Macht-Gesetz“ für Frauen.
Niemand wird etwas dagegen sagen können oder wollen, wenn im Landtag oder in der Staatsregierung tatsächlich mehr Frauen als Männer vertreten sind. Durch die gewählten Formulierungen würde aber festgeschrieben, dass der Anteil der Männer im Kabinett der Staatsregierung nicht über 50 Prozent steigen darf, derjenige der Frauen aber schon. Es mag nur eine Schwäche in der Formulierung sein, aber rein formal ist dies sicher ein berechtigter Kritikpunkt an dem Gesetzentwurf in dieser ersten Fassung. Ein Kritikpunkt allerdings, der relativ leicht im Gesetzgebungsverfahren zu beheben wäre.

Die Kritik der CSU geht viel weiter. Petra Guttenberger, MdL (CSU), Vorsitzende des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration im Bayerischen Landtag stellt zwar auch fest: „Wir brauchen mehr Frauen im Bayerischen Landtag!“

In dem Gesetzentwurf der Grünen aber sieht sie eine „Einschränkung des Wahlrechts“: „Es muss unbestritten unser Ziel sein, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen. Deshalb müssen sich alle Parteien Gedanken machen, wie politisches Engagement für Frauen erleichtert wird. Der absolut falsche Weg ist der Eingriff in unser Wahlgesetz und die Einschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts. Die Vorschläge von Grünen und SPD halte ich für verfassungswidrig. Wir brauchen Chancengleichheit, nicht Gleichmacherei. Ich halte es für falsch, gesellschaftliche Bereiche und soziale Gruppen über Quoten in die Parlamente zu bringen. (…)“

Der Gesetzentwurf der Grünen wurde am 29. Januar 2019 eingereicht und wird zeitgleich mit dem Gesetzentwurf der SPD am 5. Februar erstmals in der Vollversammlung des Bayerischen Landtags behandelt.